Samstag, 4. März 2006

Albert von LeCoq (I) oder Gott in der Maschine

Mit Wissenschaftlern, kann man so seine Probleme haben. Ganz verstaubt in Marmor gehauen, weltbewegende Gedanken darunter auf dem Sockel. Trockene, unüberbrückbare Distanz.

Um solche historischen Persönlichkeiten mit Übermenschencharakter zum greifbaren Nachbarn von nebenan zu machen, dichtete man ihnen oft böswillig und manchmal nicht ohne Grund so manches an den Hals. Da sollen Caesaren anrüchige Beziehungen gehabt haben...War Napoleon schwul?
Es gibt jedoch eine Person in der Ahnengalerie der deutschen Wissenschaftler, über 70 Jahre ist sie nun tot, die recht frei über ihre Vorlieben, Geschicke und Mißgeschicke schreiben konnte: Albert von LeCoq.
Schauen wir uns doch mal zu ihm den Nachruf von Ernst Waldschmidt an: "Von LeCoqs Lebensweg ist nicht der übliche eines glatten Beamten." Stimmt (Das nehme ich mal vorweg.) Als Sohn eines Großkaufmanns genoß er eine ganz ansehnliche Schulbildung, konnte sein Abitur jedoch nicht zum Abschluß bringen, "wegen Teilnahme an einer verbotenen Verbindung". Aufgrund dieser "Teilnahme" wurde er aus der Schule geworfen, ging dann nach England und Amerika zur kaufmännischen Ausbildung. Später studierte er in Amerika noch Medizin.
Nach Deutschland zurückkehrend, tritt er in die Firma (Apotheke) seines Vaters ein, wird Apotheker und verkauft sie einige Jahre später. Dann siedelt er von Darmstadt nach Berlin über um dort damit zu beginnen, was ihn später zum "Orientalisten" gemacht hat.
Mit 40 Jahren tritt er als Volontär in das Museum für Völkerkunde ein, studiert gleichzeitig noch Arabisch, Türkisch und Persisch am Orientalischen Seminar an der Humboldt-Universität und fährt bereits anderthalb Jahre darauf nach Kurdistan zum Textesammeln. Dann wechselt er in die Indische Abteilung des Museums für Völkerkunde und bearbeitet hier alte Handschriften aus dem Gebiet, dem er auch später zu Weltbekanntheit verhilft: "Turfan".
Bereits 4 Jahre nach seinem Eintritt ins Museum, und 2 Jahre nach dem Wechsel in die Indische Abteilung, wird er Leiter der "Zweiten Turfanexpedition", der er ein Buch gewidmet hat, was wohl zu den witzigsten Reise und Expeditionsbüchern gehört, die ich je gelesen habe. Ausgerüstet mit zu der Zeit noch jungfräulich entwickelten Kameras, mit Aufnahmegeräten, die, ähnlich einer Platte, Geräusche aufnehmen konnten, begibt er sich nach Ostturkistan (heute Westen von China, nördl. Tibets) um in die Reihe der "Foreign Devils" aufgenommen zu werden. Nicht nur weil er den Chinesen zuvorkommt, Kunstschätze zu "entdecken" und abzutransportieren, sondern auch weil er der Chinesischen Kunst einen antiken Einfluß unterstellen konnte. Anhand einiger Lesebeispiele aus dem Buch " Auf Hellas Spuren durch Ostturkistan", was Albert und sein Kumpel Bartus alles so verzapften.


Die Franken und der Liederkasten

Der Wang lud uns dann in innere Gemächer, wo nach einiger Zeit seine Sängerinnen, große, schöngewachsene Frauen, uns Lieder vortrugen. Begleitet wurden sie von einem einzigen Musiker, der auf der si-tär, einem langhalsigen, violinenartigen Instrument, mit einem Roßhaarbogen außerordentlich anmutige Weisen hervorbrachte. Der Gesang dieser stattlichen Frauen - sie waren aber die erste Jugend hinweg - war ganz verschieden von dem nasalen Geplärr der Araber und den, mir wenigstens, unerträglichen, schrillen Gesängen der Chinesen.
Ich bat den Wang, mir diese Sängerinnen nach Karachodscha zu senden, damit ich ihre Lieder auf meinem Phonographen aufnehmen könne.
Er hielt sein Wort:. Bald nach unserer Rückkehr nach Karachodscha trafen die Damen in einer festlich geschmückten chinesischen Kutsche (sie wird dort ma-pa genannt) -mit ihrem Gesunde ein und wurden von unserem Wirt mit vielen tiefen Dienern empfangen. Zwei Räume wurden für sie geleert. Sie wuschen und schmückten sich und wir empfingen sie in unserem, mit unseren roten Bettdecken festlich verhängtem Raum, wo ihnen der übliche Imbiß vorgesetzt wurde. Sie waren zuerst sehr nervös, beruhigten sich aber bald, zumal ihnen der französische Champagner ausgezeichnet schmeckte.
Ich holte dann den "Liederkasten" (naghma sandüq) hervor, stellte, den Trichter auf und bat die, vornehmste, in den Apparat hineinzusingen.
Sie fürchtete sich ein wenig, nahm sich aber rasch zusammen und sang mit schmetternder Stimme in den Apparat - so laut zwar, daß die Vibrationen des Metalltrichters mit auf die Wachsrolle übertragen wurden.
Vergebens bat ich die zweite, leiser zu singen - beide Frauen waren doch etwas ängstlich. Sie schienen sich durch übermäßig lauten Gesang ihre Furcht vertreiben zu wollen.
Nachdem ich mehrere Lieder aufgenommen, dankte ich ihnen und entließ sie hocherfreut, eine jede mit einer russischen tila(Goldstück). Sie fuhren noch am selben Nachmittag nach Luktschun
zurück.(...)
Diese Begegnung hatte lästige Folgen. Mit der seltsamen Schnelligkeit mit der - durch den Bazarklatsch - alle möglichen Neuigkeiten im Lande verbreitet werden, erfuhren auch die Zämindars (Großgrundbesitzer) der Umgegend, daß die Sängerinnen des Wang berühmte Schönheiten, in einen zauberischen Liederkasten des fremden Herrn gesungen hätten.
Am zweiten Tage nach jenem Besuch fand ich, zu meinem Ärger, daß außer den zahlreichen Patienten auch eine ganze Anzahl würdiger, wohlgekleideter alter Herren im Hof des Serail mich erwarteten. Sie erhoben sich mit großer Höflichkeit, boten mir den Saläm, und fragten, ob Ich ihnen nicht die Lieder jener, Damen mit „Liederkasten“ vorführen wolle.
Da die Leute ganz außerordentlich höflich waren, willigte ich ein. Aber jeden Tag kamen mehr, so daß diese Besuche äußerst zeitraubend wurden.
Als daher an einem Abend der Zulauf besonders groß war, lud ich die drei ältesten dieser Herren in mein Zimmer ein, setzte ihnen Tee usw. vor und hielt folgende Rede:
„Ai dustlärim-a! o meine Freunde! Ihr wißt, daß es zwei Arten der Magie gibt; die weiße, mit Alläh, die schwarze, die mit dem Schaitan (Satan) zusammenhängt!“-
Chorus: „Bäli, turäm! Jawohl, mein großer Herr!"-
".Nun wohl. Ihr wißt, daß Allah uns Franken ein größeres
hikmät, (Verstand) gegeben hat,( Chorus: „Bäli, turäm!“) als euch, und daß wir die beiden Arten ausüben dürfen, ihr aber nur die weiße!" (Chorus.' "Bäli, türäm!") "Gut- ich bin besorgt um euer Wohl ; der Liederkasten gehört in die schwarze Magie; darin sitzt ein kleiner Schaitan, der schreibt, die Worte auf und singt sie nachher! Nun geht und sagt das den anderen Herren. Wenn ihr trotzdem die Lieder wieder hören wollt, werde ich sie vorführen! Nur müßt ihr dies alles wissen!“

Ernsthaft strich man sich die Bärte unter frommen Ausrufen. Sie entfernten sich und sprachen mit den anderen. In knapp drei Minuten waren sie wieder da -"Taksir, türäm! Du willst uns, nur loswerden! Da ist kein Schaitan, das ist nur eine makina( Maschine), die Ihr Franken euch ausgedacht habt, und wenn du willst, so lasse uns die Lieder hören!“
Ich war entzückt über diese, die alte Kultur der Leute bezeugende Antwort und führte ihnen den Liederkasten vor.

Suche

 

Archiv

März 2006
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
31
 
 
 

Web Counter-Modul

Impressum

Olim ist ein arabischer Vorname, der sich aus der Silbe ilm ableitet und soviel heißt wie der Wissende oder Wissenschaftler. Ich habe den Namen 1994 in Buchara verliehen bekommen und ein Jahr später angefangen, Mittelasienwissenschaften zu studieren. Das tue ich heute immer noch im fortgesetzten Stadium. Devona ist ein Wort das man fuer verrückt, entrückt, weggetreten benutzen kann. Es hat immer irgendwie mit Liebe zu tun, zu den Menschen, zum Leben, zu Gott. Naja und das zusammen macht die Figur Olim devona aus. Manchmal schlüfe ich in sie hinein und fuehle mich dann total devona.

Here be dragons
Randzone
Reisenotizen
Sinnprovinzen
Straße der Besten
vom sofa in die Unterwelt
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren