Mittwoch, 31. Mai 2006

Ecriture Automatique

Den Surrealaisten war langweilig. Und Mutti hatte kein Spielzeug dagelassen. "Na, dann nehm ich halt nen Stift, sagten sie sich, und kritzle ewas aufs Papier." Dass nannten sie, gelangen ihnen Worte zu fabrizieren, ecriture automatique. Das gleich habe ich gemacht, als ich gestern in den Berliner Lehrter Stadtbahnhof einfuhr. Ähm, Hauptbahnhof heisst der ja jetzt, den Lehrter konnte man ja wegschmeissen, das Ding war scheisse alt, ok, ich verbrenn mir den Mund. Hier ersteinmal das Gekritzel, Echtzeit auf der Strecke ein paar Minuten vor Berlin.

Jetzt bin ich also auf die neue Strecke gefahren, anders als früher, wo sich, kommt man aus Süden, die Vorstadt Berlins in Schönefeld ankündigt. Neue Schienen, neues Grün, die der Schnellzug durchfährt. Lichterfelde Süd -- S Bahn kündigt die Nähe der Stadt an. Ich werde nun also das erste mal vom direkten mittleren Süden in die mittlere Mitte einfahren, wo es früher nichts anderes gab als Wüste. Wo mich immer noch nichts anderes erwartet als Wüste. Eine Strecke die es zu durchqueren gilt, an der nichts anderes existiert als die aufgezwungene Passage. Eine komische Station wurde angekündigt: Südkreuz. Als ob hier ein Kreuz existiert, daß einen dreht, wie andere Drehkreuze in und um Berlin. Das war mal. Bald vielleicht bald wieder... Aber auch jetzt noch nur eine Wüste, die eine Passage zu anderen Stationen nötig macht. Das erste Mal halte ich in meinem Pendlerleben im Südkreuz. Beton, Beton und Glas. Als ob die einzige Bausubstanz, die Ewigkeit verspricht, eine gegossene Masse chemischer Baustoffe sei. Die immer gleich Bahn ComputerStimme "`Lara Croft bittet"' zum Einstieg und zur letzten Passage, unterirdisch vom Neonlicht erhellt. So sieht also die Zukunft aus, unterirdisch in die Moderne vordringen und postmodern sein. Die Bahn fährt subversiv. Und bei aller Subversivität wurde uns immer und immer wieder auf die
Gefahren der Tunnelfahrt hingewiesen. Die Leute jedoch spüren nichts als den Drang bald auszusteigen. Kaum einer sitzt und genießt. Sind sie alle schon mal diese neue Strecke gefahren, dass ihnen so wenigh daran liegt, zu sitzen und zu spüren, wie die Bahn ihr dunkles Wunderwerk vollbringt? Huschende Lichter kündigen vom nahen Ende der Fahrt. Potsdamer Platz, wusch durchgerauscht. Keine Zeit mir eine Zigarette anzuzünden, schreiben in Echtzeit verlangt kein Innehalten. Genauso wie die Stehenden rastlos von einem Bein auf andere, hämmern meine Finger auf die erhellte Computertastatur im beleuchteten Wagon. Da draußen nur ein Dunkel und die erhellende Sicht auch den Lehrter Stadtbahnhof eine Sinfonie aus Beton und Glas.


[Hier endet die Zugfahrt. Der Rest kommt in der Rückschau.]

Doch auch wenn der Komponist es anders wollte, die verschiedenen Kontrapunkte in seinem Werk aufgehen lassen wollte, so waren dem Dirigenten die Hände gebunden. Er hatte keine Musiker zur Verfügung. Naja, dachte er sich, aufführen muß ich das eh. Dann sollen sie eben hören, wie Musik ohne Musiker klingen kann. Es leiden nicht nur die Architekten unter ihren Mäzenen auch die Komponisten. Hörte man nicht immer und immer wieder die dicken feisten Komponistenmäuler durch den noch feistereren Historikermund die Worte sagen: "So kann ich nicht arbeiten. Jeden scheiss Sonntag eine Kantate und dazu noch die Festtage, da soll ich eure Rossetten mit einem Requiem oder einem Oratorium einbalsamieren..." (oder so ähnlich.)

Naja. Nun ist er also da. Wegreissen kann man ihn auch nicht mehr. Ein Krieg will man auch keinem wünschen, also was solls steige ich also immer in der Wüste aus.

PS. Kennt jemand Warschawa Centralna? Da gabs die Idee des unteridrischen Bahnhofs schon vor 30 Jahren. Sieht genauso aus. Und wenn nach 30 Jahren Architekturpraxis die einzige neue Idee zwei Stockwerke mehr ist, dann kann man nur sagen: Scheiss Westen! Mama! Ick will mainen Osten zurück... da zählten Prestigeobjekte noch zum Stolz einer selbstherrlichen Nomenklatura. Hier feiert die Presse nur die Größe nicht den Verstand. Also, naja, Anerkennung braucht der auch nicht wirklich.

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Olim ist ein arabischer Vorname, der sich aus der Silbe ilm ableitet und soviel heißt wie der Wissende oder Wissenschaftler. Ich habe den Namen 1994 in Buchara verliehen bekommen und ein Jahr später angefangen, Mittelasienwissenschaften zu studieren. Das tue ich heute immer noch im fortgesetzten Stadium. Devona ist ein Wort das man fuer verrückt, entrückt, weggetreten benutzen kann. Es hat immer irgendwie mit Liebe zu tun, zu den Menschen, zum Leben, zu Gott. Naja und das zusammen macht die Figur Olim devona aus. Manchmal schlüfe ich in sie hinein und fuehle mich dann total devona.

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