Montag, 21. November 2005

Qur'on qarim

Heute ist mir so mit das Abgefahrendste passiert, was einem Mittelasienwissenschaftler oder -reisenden so passieren kann. Ich saß in einem Internetcafe und schrieb so vor mich hin. Ein Mann setzte sich mit seinem Sohn zu mir und meinte, er würde sowieso kein Englisch verstehen und nur ein bisschen zuschauen wollen. Meine Finger würden sich so schnell bewegen... "Na, unter den Blinden ist der Einarmige König!" dachte ich mir und ließ ihn machen. Seine Anwesenheit fuehrte dazu, daß meine Konzentration rapide abnahm und ich einer Freundin einen Brief voller Fehler abschickte. Dann ließ er mich in Ruhe. Kurz bevor er rausging, fragte er mich, ob ich denn nachher noch einmal 20 Minuten Zeit hätte, er würde draussen warten. Ich war sowie fast fertig und ging auch bald. Er stand mit seinem kleinen Sohn draussen und fragte, ob wir nicht einen Kaffee trinken wollten. Ich dachte schon zu wissen, was das fuer ein Kaffeegespräch werden würde: Wie kann ich nach Deutschland kommen, wie kannst du mir helfen usw ? Deswegen ermunterte ich ihm, mir doch jetzt gleich mal zu erzaehlen, was er denn von mir wollte.

Er zeigte auf seinen Sohn und sagte: Dieser kleine Junge hier sei einzigartig auf der ganzen Welt. Er haette auf der rechten Brust von Gott die Buchstaben eingeschrieben bekommen "Qur'on qarim", was soviel heißt wie: der Heilige Koran.

holy-koran

Sein Sohn würde jetzt bald vier werden. Er zeigte mir ein paar Bilder, die seinen Sohn als rechtmaessig betenden Gläubigen ablichteten. Er hatte auch eine Kaabatapete zu Hause und hier würde sein Sohn jeden Tag davorstehen und weinen. Er würde jeden Tag bitterlich weinend davon erzählen, daß er nach Mekka will. Seine Aufgabe als Vater sei es jetzt, dem Kind einen Sponsor zu finden, der es ihm ermöglicht, ihn nach Mekka zu bringen.
Dazu bräuchte er jemanden, der ihm einen Text aus dem Russischen in Englische übersetzen und ihm eine Website einrichten würde, damit sein Kind in aller Welt bekannt würde. Als er mir die eingeschriebenen Buchstaben zeigte, sah ich zwei Leberflecke unter der rechten Brust. Diese Leberflecke auf Papier abzeichnend hatte ein schriftkundiger Kalligraph die arabischen Buchstaben "qur'On qarIm" hineingezaubert.

Geschichten von Gottes Wunderkraft gibt es immer wieder. Die letzte spektakuläre Geschichte war während der Tsunamikatastrophe eine Welle in Indonesien, die die Buchstaben "Allah" abbildete. Das wurde auf einem Satellitenfoto festgehalten. Eine andere Geschichte, passierte vor zwei Jahren, als in der Nähe von Khodschand / Tadschikistan ein Schaf mit den Buchstaben Allah geboren wurde. Der Stall des Schafes wurde zum Pilgerzentrum für Gläubige aus ganz Mittelasien. Bis ein paar reiche Kaufleute aus dem Iran kamen und das Schaf für 8.000 Dollar abkauften. Das bestrafte Gott und ließ den ehemaligen Besitzer erkranken.

Ich hatte dem Mann gegenüber sowieso ein etwas verschnupftes Verhältnis und sagte ihm, dass ich für solch eine Arbeit keine Zeit hätte. Es gäbe in der Stadt hunderte Gläubige, die ihm eine Internetseite einrichten könnten und ihm seinen Text auf Englisch übersetzen würden.
Nun habe ich wegen dieser Abfuhr immer noch ein schlechtes Gewissen. Ich bin auch gerade auf Klo gegangen und hatte Durchfall. Hai jai jai, hoffentlich kommt da nicht die Vogelgrippe auf mich zugeflogen. (Das ist hier übrigens Thema Nummer eins, in einer Jahreszeit, die einige vernschnupft aussehen läßt.) Da fällt mir ein, ich habe auf dem rechten Arm unterhalb des Ellenbogens auch einen Leberfleck. Wenn ich mir den so recht betrachte, steht da auch Allah geschrieben. Na, dann bin ich ja mit einem Gegenzauber ausgestattet. Toi toi toi!!!

Nichts zu tun?

Ich war hier vor ein paar Tagen bei einem Nachfahren eines Naqshbandiya Sufis, der aus Peshawar nach Kokand auf Einladung des Khanes kam.

Er bekam hier ein Stueck Land und baute ein paar Jahre darauf in seinem Wohngebiet eine islamische Hochschule (madrasa) auf. Aus dieser Hochschule gingen nicht nur viel bedeutende Dichter und islamische Wissenschaftler hervor, in diese Schule gingen auch alle seinen 14 Soehne, die er von vier Frauen hatte. Einer dieser Soehne hatte einen Sohn, Miyon Qudrat hazrat mit Namen. Dieser schrieb in den zehner Jahren des 20 Jh. ein Buch -- Verse zu Gottes Lobgesang mit verschiedenen Farben auf verschiedenen Papier.

baldaufmail

Als die Sowjetmacht auch Zentralasien gruesste und aus dem laechelnden Mund ein toetlicher Atem kam, verschloss er das Buch in einer Kiste und machte schnell los nach "Arabistan" (So nennen die Leute den nahen Osten, ohne irgendein Land zu spezifizieren). Er wollte seine Frau und seine Kinder noch nachholen aber da war der Weg rein oder raus schon verschlossen. Die Truhe, in die er das Buch gelgt hatte, blieb es auch fuer viele Jahre. Das Buch wurde niemanden gezeigt und auch die Historiker des Ortes hatten davon bisher keinen blassen Schimmer. Ich habe nun das gesamte Werk auf Film wie man so schoen sagt, bin der erste der es nach vielen Jahren ueberhaupt gesehen hat und habe auch ein bisschen ueber den Autoren mit seinem Grossneffen gesprochen. Das ist doch was oder? Muss mich jetzt in den naechsten Jahren nur noch daran setzen, die Kaligraphien auseinanderzunehmen.
Und da sage einer, ich habe nichts zu tun….

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Olim ist ein arabischer Vorname, der sich aus der Silbe ilm ableitet und soviel heißt wie der Wissende oder Wissenschaftler. Ich habe den Namen 1994 in Buchara verliehen bekommen und ein Jahr später angefangen, Mittelasienwissenschaften zu studieren. Das tue ich heute immer noch im fortgesetzten Stadium. Devona ist ein Wort das man fuer verrückt, entrückt, weggetreten benutzen kann. Es hat immer irgendwie mit Liebe zu tun, zu den Menschen, zum Leben, zu Gott. Naja und das zusammen macht die Figur Olim devona aus. Manchmal schlüfe ich in sie hinein und fuehle mich dann total devona.

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