Montag, 27. Februar 2006

Die Dorfschullehrer

Donalphonso hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Er beschrieb ein sehr schönes Bild.

Vermutlich sass an den Lagerfeuern des Paläolithikums schon einer, der prima Geschichten erzählen konnte. Und abseits davon sass einer, dessen Faustkeile zwar ziemlich gut waren, aber nach einem Tag Feuersteinbearbeitung nichts zu sagen hatte, ausser über Feuersteine.


Als ich mich unter Gauklern rumtrieb, um deren Lebensgeschichte zu erfahren, wunderte ich mich immer, dass nur ganz bestimmte Leute ihrem Leben eine darstellbare Form geben konnten, dass nur wenige sie in die Form einer Geschichte packen konnten. Das musste gelernt werden, und es konnte nicht jeder.

Nun zieht Donalphonso gegen die Leute, die nicht so richtig erzählen können, oder die Schönheit dessen nicht sehen, zu Feld und er macht genau den gleichen Fehler wie ich ihn damals machte. Er richtet. Er richtet die, die nicht die großen Geschichtenerzähler sind und die keinen Sinn im Vortragen von Geschichten sehen. Dass das jedoch alles nur Geschmackssache ist, das ist wohl unbestritten. Dem einen schmeckts, dem anderen nicht.

Levi Strauss nennt die Leute, die immer wieder ihre Geschichten erzählen bricoleur – Bastler. Sie sammeln unermüdlich kleine Geschichten, kleine Zeitungsausschnitte, kleine Versatzstücke und zimmern sie dann mit Hilfe ihrer Werkzeugkiste zuhause wieder zusammen. Sie machen für die Öffentlichkeit die eine um die andere Bastelarbeit und passen sich dabei dem Geschmack der zuhörenden Masse an. Das Material mit dem sie arbeiten wird nicht hinterfragt, es ist wahr, muss wahr sein, sonst hätte das Ganze keinen Sinn.

Es gibt eine Spezies auf der ganzen Welt verteilt, die Dorfschullehrer, die teilen alle diese Passion. In Europa war es verstärkt ab der Romantik, einer Zeit in der Bildung langsam sich immer fester als Bürgergut etablierte, dass die Dorfschullehrer auszogen, um dem Volk aufs Maul zu schauen, seine Lieder und Geschichten zu sammeln. Herder hatte seine Herde genau im Blick, als er seine Volksgedanken unter das Volk schmiss. Ob nun auf dem Balkan, in Mitteleuropa, in Rußland ganz egal, es waren die Geschichtensammler und deren Art sich in Szene zu setzen, die begannen Geschichte zu schreiben. Sie konnten das zum Teil besonders gut. Ihre Sammlungen, auch wenn sie alle frisiert, zum Teil erstunken und erlogen oder nur versatzstückhaft gesammelt, immer schön das Obszöne und Pralle auslassend, sind bis heute Bestandteil von Nationalgeschichten. Das Lagerfeuer fand seinen Weg in die Schulbücher, Zeitungen und Massenmedien. Gerade wird es in den Blogs angezündet. Die einen beginnen seelig zu schwatzen und die anderen haben "nach einem Tag Feuersteinbearbeitung nichts zu sagen, ausser über Feuersteine."

Was das bessere von beiden ist, sollte jeder für sich entscheiden.

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Olim ist ein arabischer Vorname, der sich aus der Silbe ilm ableitet und soviel heißt wie der Wissende oder Wissenschaftler. Ich habe den Namen 1994 in Buchara verliehen bekommen und ein Jahr später angefangen, Mittelasienwissenschaften zu studieren. Das tue ich heute immer noch im fortgesetzten Stadium. Devona ist ein Wort das man fuer verrückt, entrückt, weggetreten benutzen kann. Es hat immer irgendwie mit Liebe zu tun, zu den Menschen, zum Leben, zu Gott. Naja und das zusammen macht die Figur Olim devona aus. Manchmal schlüfe ich in sie hinein und fuehle mich dann total devona.

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