Reisenotizen

Sonntag, 5. September 2010

kleine Tricks...

nun sind die letzten Tages des Ramadhans angebrochen. Es sind besonders die letzten vier, fünf Tage (diie mullahs hier sagen, ab Donnerstag ist allesei zu Ende) das die Menschen unruhig werden, das Ende des Fastenmonats kaum mehr erwarten können. Frauen gehen aus den Basaren mit einer Menge neuer kleiner Assecoires nach Hause, Kristallteller, auf denen kandiert Mandeln, Erdnüsse, salzige Aprikosenkerne, gezuckerte Rosinen aufgetragen werden zum Fastenbrechenfest und die Tafel füllen, die drei Tage lang gedeckt sein soll, damit man jeder Zeit Gäste, die von nah und fern anreisen, bewirten kann.

Es sind die letzen vier, fünf Tage, in denen diejenigen auf die Reise gehen, die gerade nicht zu Hause sind, z.B. auswärts arbeiten. Das sind hier in Mazar-e Sharif zum Beispiel die NGo Mitarbeiter, die aus Kabul rekrutiert werden, weil dort die Zentren des Spracherwerbs ausländischer Fremdsprachen zu Hause sind. Kurz: Alles ist auf dem Weg nach Haus , alle freuen sich auf das Ende des Ramadhans, endlich wieder tagsüber rauchen, Wasserpfeife oder Zigarette. Endlich wieder, so lange und soviel man will Essen und Trinken, am Strassenrand, in der Schaschlikeria oder besser gesagt beim Kebap-röster.

Und da in ein paar Tagen dieses Foto hier out of date sein wird, wollte ich es noch nachreichen. Kinder und Jugendliche m Kabuler Neustadt Park, die den auftankenden Strassenkehrerwagen ausgiebig zum Duschen nutzen. Einer der kleinen Tricks, mit denen sich die Leute hier bei 35 Grad und mehr die Wasserlosigkeit verkürzen. Eigentlich müssen sie das ja nicht, denn Fasten gilt erst ab dem 16ten Lebensjahr, aber da sie schon erwachsen sein wollen, wie die Grossen, eifern viele, so früh es geht, den Grossen nach.

: ob_bozi

Hier ist es unterdessen ein wenig kälter geworden, die Quecksilbersäule erreicht mit Ach und Krach um die 30 Grad. Zu den vorherigen 35 bis 37 Grad eine echte Abkühlung.

Freitag, 3. September 2010

die traditionelle Apotheke

Das ist Dilbar aka. Er besitzt eine traditionelle Apotheke in Mazar-e Sharif. Diese traditionelle Apotheken heissen hier duo-xona-e yunnani und ihre Bestandteile kennen die Leute hier wirklich in jeder Familie.

apothekenstory4

Diese griechische Apotheke bringt er jeden Morgen mit der Schubkarre in die Innenstadt von Mazar, dort wo sich auch die Apotheken befinden, wie wir sie aus Europa kennen, mit ihren in Pappe und Plastik eingepackten Arzneien, die aufgrund ihrer Erscheinung schon in einer anderen Liga zu spielen scheinen.

die-offizielle-bzw-uns-bekannte-Apotheke


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Auf der Schubkarre befinden sich ein Sonnensegel gegen die sengende Hitze und 40 bis 50 kleine Beutel und Fässerchen, die alle möglichen Ingredienzien beinhalten. Viele von ihnen würde man nicht automatisch zu Arzneien zählen. So sind hier z.B. Safran, Zimt, Rosenblüten und Blei vertreten, Letzteres zum Schwärzen der Augenbrauen. Erstere für verschiedene Teemischungen. Die Mittel der Apotheke hier sind gegen viele menschliche Defizite einsetzbar, gegen KInderlosigkeit, gegen fehlende Manneskraft oder gegen Wasser in den Beinen. Einige sind rein kosmetisch, wie Blei, oder Steine für Zahnweiss.

Als ich die Apotheke für das Museum in Altenburg aufkaufen wollte, bemerkte ich, dass der Apotheker zwar jede Menge Ahnung von Beschwerden hat, aber nicht schreiben kann. So fand sich bald ein anderer beflissener Kunde, der seiner Frau eigentlich nur ein wenig Schwärze für die Augenbrauen besorgen wollte und schrieb ein Mittel nach dem anderen auf.

Andere, die keinen Marktstand in der Apothekenstrasse unterhalten, gehen mit ambulanten Apotheken um die Rawza herum, dem Grabmal von Ali in Mazar-e Sharif und bieten hier ihre Kräuter feil.

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Viele der Kundinnen sind Frauen, die hier wie in vielen Teilen der Erde die wichtige Rolle als Hausarzt übernehmen. Denn bevor man zum Arzt geht, versucht man vieles erst einmal mit den herkömmlichen Mitteln selbst .

ambulante-Apotheke

Nun habe ich also für das Museum 4 kg Arzneien aus der traditionellen Apotheke und werde mir in den nächsten Tagen noch eine Blechkiste bei den Blechschmieden für den Transport besorgen...

Freitag, 27. August 2010

Zigeuner in Mazar-e Sharif

Heute hatte ich mich am frühen morgen um halb sieben mit Oqmurod einem Journalisten aus Mazar und alten Freund von vor zwei Jahren verabredet, um eine Zigeuner Familie zu besuchen. Wir fuhren mit dem Taxi in ein Stadtviertel, etwas ausserhalb von Mazar, und von vielen Zigeuner-Familien bewohnt wird.


: Zigeunersieldung im Zwischenraum

Diese haben sich hier entlang mehrerer grösserer Freiplätze und breiten Wohnviertelstrassen in Lehmhäusern niedergelassen, die sich für eine bestimmte Zeit mieten. Vor einem jeden Haus machten sich Frauen an das Aufräumen der Hausvorplätze, fegten gewissenhaft den Staub von den Stampflehmplätzen und richteten das Haus für das Tageswerk her. Einige hatten ein Tuch auf dem Kopf, das Gesicht aber war offen. Manchen hatten vor ihren Häusern auch Strauchwerk angeplanzt, wohl nicht nur als Sichtschutz und Schmuck sondern auch als Staubfänger für die Vorplätze.

Typisches Haus von Zigeuinern, die hier dzugi genannt werden

Als wir bei unserer besagten und uns bekannten Familie ankamen, suchten wir zuerst den Familienvorstand auf, der auf einem nahe gelegenen Abfallhaufen frischen Klee und getrocknete Sträucher für die Pferde auf Schubkarren laden ließ, die Kinder abtransprotierten. Einer der Jugendlichen, der uns von dieser Stelle in das nahe gelegene Haus geleiten sollte, rief über den Platz mit lauter Stimme, dass sich in sein Haus jetzt Gäste begeben würden, dass man im Haus Platz schaffen solle, das alles, damit wir es nicht verstehen in der Mundart der Zigeuner.

So kamen wir zum Haus, es wurde schnell aufgeräumt und flugs fanden wir uns in einer gastlichen Stube wieder . Wie auch schon das Jahr zuvor, hatte das Haus keine Fenster, vor dem Haus waren die typischen Zeltbahnen gespannt und ein zwei Pferde in der Umgebung angepflockt.

Ich hatte sie vor zwei Jahren schon besucht und damals auch einen alten Mann kennengelernt, der so ein bisschen das familiäre Gedächtnis ist, auch wenn er nur schwer hört und man ihm immer wieder laut erklären muss, was man eigentlich von ihm will. Er kann eine Menge Lieder auswendig und hat einige von ihnen mir ins Mikrofon gesungen.

Das Gespräch mit ihnen über ihr leben zu führen, war bisher sehr schwer, da sie darin nichts besonderes finden und deswegen auch nicht viel zu erzählen haben. Meine Idee, bei ihnen ihre Sprache zu lernen, wird dafür vielleicht ein Einstieg sein. Ich wollte natürlich ihnen auch sagen, dass wir vorhaben, in Altenburg ihr Leben in einer Ausstellung darzustellen, das aber ist noch nicht wirklich angekommen. Das ich jedoch als Sprachwissenschaftler ihre Sprache lernen will, um sie in einem Buch der akademischen Welt zu präsentieren, das haben sie wohlwollend aufgenommen.

Als das Gespräch beendet war, hat mich der alte Mann gefragt, ob ich nicht ein Almosen für ihn hätte. Die anderen erklärten mir was eigentlich jeder weiss, dass der der Monat Ramadhan sei, in dem man seinem nächsten bedürftigen Alomosen zu geben habe. In Zentrasien sehen Zigeuner nämich das Betteln als eine ihnen und vor ihren Ahnen wichtige Aufgabe an.

So zog ich also einen Hundert Afghani Schein (etwa 2 EURO) aus der Tasche und gab ihm den. Er schaute sich gewissenhaft das Geld an und sprach ein Gebet zum Abschied.

Freitag, 20. August 2010

Kabul von Oben

Nun, ist der Grund, warum der gute alte Olim wieder einmal seinen eigenen Blog aktiviert hat, endlich herraus...

Ich bin wieder mal auf Reisen. Und da solcherlei Reiseplaudereien nicht so richtig auf den Zentralasienblog tethys passen, will ich hier also die naechsten Wochen berichten, was da wohl gerade in Afghanistan los ist. Nun ja, ganz Afghanistan werde ich nicht bereisen und mich aufgrund meiner leider beschränkten Sprachkenntnisse auf den Norden beschränken. Denn mein Persisch ist nur gut für den Basar und den Taxifahrer, aber nicht gut genug, um in Kandahar in den Gärten mit romantischen pashtunischen Jungen ins Gespräch zu kommen, in Jalalabad die grünen Strassen entlang zu laufen und mit den Leuten hier zu plaudern und in Kabul die Wohnviertel der Zigeuner unsicher zu machen. So werde ich mich bald in den Norden aufmachen, doch leider mit dem Flugzeug fliegen müssen. obwohl ich mich schon richtig auf die Autofahrt in den Norden gefreut habe, zum Salangpass hinauf (oder durch den Tunnel hindurch). Aber leider machen ein paar Jungs die Strassen in Pul-khumri gerade sehr unsicher, so dass sogar tagsüber die Fahrt für Aghanen nicht ungefährlich ist. Alle die ich gerfragt habe fliegen zur Zeit. Nun ja, dann werde ich es wohl auch tun.

Aber zur Zeit bin ich mit einem befreundeten Ethnologen in Kabul und so kann ich mich auf seine Sprachkenntnisse verlassen und so nebenher gehen.

Deswegen auch nur ein paar Beobachtungen am Rande zu einer erstaunlichen Stadt. Kaum zu glauben, wie man es täglich mit dieser Stadt in die Medien schafft. Gar zu schön und gewöhnlich ist doch das, was man hier erleben kann. Doch darüber steht leider nie etwas dort, wo man über die Grossen Dinge erfährt: in den Medien


Gestern bin ich in Kabul angekommen und von da bisi jetzt waren wir nicht nur den ganzen Tag unterwegs, sondern haben auch meines Freundes Gastfamilie besucht, mit denen wir ausgiebig den Wein getrunken haben, den ich mitgebracht habe. Der Vater des Hauses ist in Südwestafghanistan auf Wahlkampftour und so war der älteste Sohn der Hausvorsteher. Der ist letzte Woche nach zwei Jahren Studium in Kazan das erste mal wieder nach Hause gekommen. Die Familie ist aufgeklärt, zwei Töchter und ein Sohn studieren im Ausland,: Istanbul, Moskau und Kazan, Medizin, Medizin und Politik, Der Vater des Hauses ist ein ehemaliger Kommunist, oder wie es hier besser heisst ein Parteiler (das Wort kennt man auch im OSten Deutschlands). Sie wohnen im Mikrorayon Nummer vier und wenn man dort ist, hat man das Gefuehl man waer irgendwo in der Sowjetunion. Die absolut gleiche Bauweise von 70er-Jahre-Neubauten, hier erbaut in den 80er Jahren. Die gleiche Anordnung, Kinder auf dem Hof, Jugendliche vor dem Haus. Es ist ganz erstaunlich wie die ganze Stadt von der Sowjetzeit geprägt ist. Hier gibt es dutzende in der Sowjetzeti gebaute Kinos, fünf haben wir nun schon gesehen und das ist nur ein kleiner Teil davon. Alle arbeiten und zeigen Filme aus Indien oder auch eigene jüngere Afghanische Produktionen. Ich werde bald darüber berichten

Um die Stadt herum sind überall Huegel. Auf einem von denen waren wir heute. Dort oben gibt es einen Garten (baghe bolo) und von dem aus kann man die ganze Stadt schön sehen.

Ein Blick auf Kabul vom Oberpark  aus.

Im Park waren viele Pashtunische Maenner, hielte Haendchen und verkrochen sich zwischen den Rosenbueschen. Das wäre lange nicht alles, was dazu zu sagen wäre. Denn man koennte von hier aus nicht nur die schöne Stadt sehen, sondern auch die eine oder andere Wasserpfeife rauchen und einen Milchtee dazu trinken. Aber es ist Ramadhan und deshalb ziemlich tote Hose in den Parks. Wer will schon gerne muessig gehen und dazu weder Essen, noch Trinken oder Rauchen. Keiner der sonst üblichen Wahrsagerinnen am Wegesrand, keine Tandanbieter oder ambulanten Eisverkäufer, nur ein paar Freundespaare.

Es ist also Fastenzeit und um die Fastenzeit ohne Trinken zu ueberstehen, gibt es ein paar Tricks. An den Brunnen und Pumpen, die hier ueberall an der Strasse stehen, machen viele Juendliche gerne eine Kopfdusche. Vielleicht in der Hoffnung, das eine oder andere Troepchen von der Stirn in den Mund rieseln zu lassen. Andere Duschen gerne ab nachmittags zu Hause, damit das Wasser wenigstens die Haut herrunter rieselt.

Gestern abend wurden wir auf eine Party eingeladen. Skatestan, eine Gruppe australischer Skateboarder, die in Kabul ein Jugendprojekt aufgebaut hat. Sie haben ein Skaterpark eingerichtet und sie habenin einem abgelegenen neugebauten Stadtvietel der Stadt ein dreistöckiges Haus gemietet und dieses auf allen drei Etagen zum Wohnen, oben auf dem Dach zum Abhängen und unten im Partykeller zum Tanzen eingerichtet. Soweit so gut. Daraus könnte ein schöner Anfang einer neuen Hippiekomune werden.
Aber die Leute auf der Party sind keine Erinnerung an die Hippiezeit, denn sie waren auf eine komische Art entspannt. Manchmal sprachen sie ueber ihre eigenen Ängste. Und die werden geschührt hier, oh Mann, sag ich dir, Wahnnsinn. Den Internationalen (so nennt man hier die Politarbeiter in Nichtuniform) ist es verboten, lokales Taxi zu fahren, schon gar nicht Bus (Marschrutka), sie duerfen nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr auf der Strasse spazieren gehen. Sie duerfen nur in von security Firmen gestellten Autos fahren, sie duerfen nicht auf den Markt gehen.

Ja hier, hier leben die Internationalen nun abgeschirmt, leben in Saus und Braus. Auf der Party das Bier für 5 Dollar, in Dollar bezahlt versteht sich. Für 30 Dollar Brunchen im Besten Hotel der Stadt? Kein Problem, das macht man so mit seinen Internationalen Freunden jeden Samstag. Unter Afghanen ist das teuere Hotel der Stadt aus anderen Gründen bekannt. Sie vermuten hier, das sicherlich in einem jeden Zimmer Prostituierte mit zum Zimmerservice gehört. Warum? Weil der Preis so hoch ist.

Dienstag, 1. Januar 2008

Willkommen, Herr ... ! Falsche Freunde bei der Bahn...

Das Jahr 2008 wird sicherlich das Jahr der Vorratsdatenspeicherung...
Komisch, das so ein alter Hut mich hier zum Schreiben bringt, denn bislang habe ich mich aus der Debatte blogtechnisch herausgehalten, da ich andere kenne, die das stimmengewaltiger und substanzieller tun. Ich muss auch zugeben, dass ich aus der Soll und Haben Perspektive des Datenschutzes immer meinen Dispokredit überziehe. Doch ich habe Freunde, die das anders sehen... Und bei denen höre ich dann Sachen, sie hätten ihren Handyvertrag gekündigt, wegen "Bewegungsprotokolle herstellen können", ab heute und so. Denke ich mir, nur gut, dass ich kein Handy habe! Und dann Bahncard 25 gegen 50er eintauschen, wegen Automatenkauf und keine Abspeicherung von Fahrkartenkäufen bei der Bahn. Nur gut, denke ich mir, dass ich sowas auch habe, also eine Bahncard 50 meine ich!

Nun muß man wissen, dass ich etwa mindestens zwei Mal in der Woche vor so einem Automaten stehe. "Kannst du doch ooch online machen", sagen die Schlaustberger jetzt sicherlich. Aber die sind auch etwas organisierter als ich. Da ich total unorganisiert bin, eigentlich liebe ich eher den Ausdruck spontan, stehe ich also immer etwa 5 Minuten vor Abfart des Zuges vor dem Automaten. Nun denkt sich die Bahn für ihren Fahrkartenkauf aber auf dem Display des Automaten immer was Neues aus! Super, denke ich jedes Mal, wenn meine flinken Finger gestoppt werden. Da hat die Bahn sich wieder mal 'nen teuren Logistiker geleistet, der für etliche tausend Euro den Fahrkartenkauf um eine Spur komplizierter macht!

Komme ich also neulich zum Automaten bei der Bahn, Tickets im Sylvesterverkehr. Aha, schon wieder durchzuckt es mich. Das Display wurde geändert. Ich also auf Expresskauf, jetzt aber Ballett, denke ich, die Diesellok pustet auf dem Bahnsteig schon ihre Rohre frei... Nach dem "Expressverkauf" gleich die Frage, ob ich Bahncard habe. Jau, tippe ich und freue mich schon, gleich sagen zu dürfen, 50 Prozent bitte, subito! Nix da! Sagt dieser verkackte Automat doch bitte, "'na dann stecken Sie mal die Bahncard ein!" Ich staune mir eins. Wieso meine Bahncard? Ich bin aber gehorsam und stecke sie in den Automatenschlitz. Sagt darauf doch der Automat mit seiner Anzeige: "Willkommen Herr Undwieichheisse!" Was für eine Frechheit! Will ein Automat auf einem kalten Bahnsteig zu mir sagen, "Willkommen Herr Undwieichheisse!" Obwohl ich weiss, dass ein jeder Automat mit so 'nem Job auf 'nem zugigen Bahnsteig denkt: "Ey du Sackgesicht! Watt' willst Du denn hier so auf die Fixe von mir, laß mich in Ruhe!" Aber dieser neuerlich von der Bahn dressierte Automat sagt ganz freundlich "Willkommen!" und meint doch was ganz anderes. Aber sicherlich nicht "Willkommen Terrorist!" was die Bundesregierung jetzt dann gleich wieder argumentieren würde, sondern: "Willkommen Scheiss Kunde! Nun erhöhe ich nicht nur jeden dritten Monat die Fahrpreise um soundsoviele Prozentchen. Nein ick will Dir auch noch in dein Sackgesicht sagen, dass ich deine Daten sammle, um Dich als Kunde noch besser ausnehmen zu können." Klartext: Horch die gläsernen Kunden nicht mehr aus, befrage sie nicht ständig, sondern hole Dir die Daten, wie es Dir passt, schließlich warst Du ja auch mal ein Teil vom Bund....

Mittwoch, 23. Mai 2007

Wasser plus Kraft gleich Werk

Meer
Das ist die GES Kairakum. Eine GES ist eine HydroElektrischeStation, russisch verpackt, zu deutsch Wasserkraftwerk, doch steht sie auf dem Territorium des nördlichen Tadschikistans. Und wie das kam, da ist der Lenin dran schuld. Der hat naemlich sich gedacht, als er im dunklen Güterwagon verplombt von die Schweiz nach Rußland gefahren ist, eine Revolution führt nicht direkt in den Kommunismus. Da muß man sich ein bissel anstrengen. Also hat er eine sehr einfache aber griffige Formel erfunden, die viele Tausend Menschen in der Sowjetunion Jahrzehnte lang im Atem halten konnte: Kommunismus ist gleich Sowjetmacht und Elektrifizierung im ganzen Lande. Daran war 1917 noch nicht zu denken. Und da das 20. Jh. das Jahrhundert der einfachen Antworten war auf so komplizierte Fragen, wie was ist Kommunismus, hat die vollauf gereicht. Dann kamem die Fünfjahrpläne Stalins, dann der Krieg Hitlers und dann mit der weiterreichenden Industrialisierung auch die Frage nach der Elektrifizierung des ganzen Landes Tadschikistans. Und da haben die angefangen, den Syr Darya, einer der beiden großen Flüsse Zentralasiens anzustauen. Mit dem Anstau wurden Wuestenland ueberflutet und das eine oder andere Bauernhaus. Wurden aber alle umgesiedelt weiter nach oben.
Meer-noch
Und da das Wasser immer den Fluss hinunter fliesst kam es dazu, das heute ein Meer (so sagen die Lokalen) von 40 Kilemeter Breite und 80 Kilometern Länge entstand. Neben der GES wurde eine neue Stadt gebaut mit dem Namen "`guess what?"' Kairakum. Hier nun und in der unweit gelegenen Stadt Khudjand wollten die Europäer auch baden gehen. Also haben sie ein ganzes kleines Universum des Sports und der Erholung gebaut. Die Tadschiken und Usbeken machten mit und da entstanden dann Jachtklub, Fischrestaurants, Sanatorium und Strand. Als die Europäer, wegen des Krieges 1993 -- 1997 und weil sie darin wenig Zukunft für sich sahen, gingen, blieben nur die lokalen Männer der Herren des Strandes. Die lokalen Damen hielten sich von jeher diesen Vergnügungen fern. Das war unschicklich. Und weil unschicklich aber immer irgendwie überall vorkommt sind jetzt die wenigen Damen am Strand bezahlbare Konkubinen, Prostituierte, um es in der Sprache der heutigen Zeit auszudrücken.
noch-Meer
Als ich das den Khudjander BekanntInnen erzählte, waren sie bass erstaunt. Ich las schon in ihren Gesichtern: "`Und da geht mein Mann also baden?"' Aber sei's drum, kommen wir zurück zu Lenin. Wenn also nun Sowjetmacht aus der Rechnung gestrichen wird, bleibt Elektrifizierung im Land ist gleich Prostitution. Komisch, klappt aber schon deshalb nicht, weil diese einfachen Rechnungen aus dem 20 Jh. eh nie aufgehen. Und da wär ich mal wieder bei meinem Lieblingsthema: Grau ist alle Theorie. Aber wenn ich jetzt damit anfange, werde ich noch Netz- ähh Nestbeschmutzer.

Freitag, 4. Mai 2007

Geschichtsding.

Das mit dem Gedenken ist ja ganz eine moderne Sache. Das haben die Historiker mit ihren Aufdeckungen zur Memoriakultur in den 1980er Jahren doch schön herausgearbeitet. Aber auch wenn es eine moderne Sache ist, ist es trotzdem nicht weniger wichtig, wie jüngste Ausschreitungen in Estland zeigen, wo die schon ein bissel grantigen Esten ausgerechnet in der Woche zum Gedenken an den Großen Vaterländischen ein Weltkriegsdenkmal aus der Sowjetzeit abbauen wollten. Hätten sie ja im Sommer machen können, nein, es musste die Maiwoche sein. Rechnung macht da dann nicht immer der Wirt. Hier in Tadschikistan ist das mit dem Gedenken an den Großen Vaterländischen überhaupt kein Problem, das wird gefeiert, dass die Bude kracht. Komisch, rein äußerlich, müssten die Tadschiken so grantig sein wie die Esten, sind ja auch so ein peripheres Volk mit russischer Chauvigeschichte aber hier sieht man das ganz anders und das kam so. Nach dem die Stalinisten nun in den 30ern vor allem im Zuge der Kollektivierung, der sogenannten Frauenbefreiung ihre Säuberungskampagnen so richtig zum Staatsterror haben werden lassen, brauchte man für den Weg in den Schützengraben eine bissel andere Musik. Da haben sie den Nationalitäten, die vorher mit Deportationen in die Lager ganz „entnationalisiert“ werden sollten, wieder ein bissel ihre Kultur zurückgegeben. Da gab’s dann nicht mehr modernen nur sozialistischen Foxtrott auf dem Parkett, sondern wieder nationale Tänze. Nationale darstellende Kunst war nun Zirkus. Sport- und Spiele wurden nicht mehr als grob, vorrevolutionär oder reaktionär angesehen, sondern wurden nationale Folklore. Zwanzig Jahre gleissende, elektrisierende Kulturrevolution wurde ausgeknippst und der Empfänger nun mit Folkloreliedchen gefüttert, damit es sich besser im Schützengraben singt. Die Internationale ist da ja nun auch nicht so gut dafür. Und als der Hitler nun immer weiter in den Osten rein und totales Chaos, da haben sie die Fabriken in Rußland Stück um Stück abgebaut -- Rüstung-, Film- und Bekleidungsindustrie vor allem -- und wieder schön in Sowjetischzentralasien aufgebaut (sprich also alle -stans außer Afghanistan und Pakistan versteht sich). Das war dann zwar schon zehn Jahre nach dem ersten Fünfjahrplan, wie da ja die Industrialisierung genannt wurde, aber dafür war es auch eine wirkliche Industrialisierung; nicht nur `nen Kanal oder so 'nen Anbau für die Seidenfabrik, sondern richtige Raketen- und Auto- und Bombenfabriken. Und als dann die Jungs aus dem Krieg wiederkamen, blieben die Fabriken stehen. Die Folklore durfte auch bleiben und dann kam Chrustschow und dann war eigentlich alles super, auch wenn der Brezhnew wieder die ganze Suppe versalzen hat. Aber das ist nun auch schon wieder lange her. Erinnert sich ja auch keiner mehr dran. Nur der Krieg, der natürlich ganz groß, und so doof war der ja nun auch wirklich nicht für Zentralasien. Aber nun sind mehr als sechzig Jahre rum und morgen treffen sich die paar, die den erlebten und noch übrig sind und gedenken. Da richtet das Museum einen Gedenkvormittag aus, und weil ich da arbeite, muss ich auch hin. Aber nun kommt das Problem. Meine Gewährsfrau aus der Abteilung Wissenschaft wollte nun, das ich auch was sage. Wir sind doch auch von den Faschisten befreit worden. Und da hätten wir doch auch die sowjetischen Soldaten begrüsst, hätten sie willkommen geheißen und ihnen Brot und Salz als Gruß gereicht. Nun muß man wissen, das Brot und Salz so eine alte Geste aus tausend und einer Nacht ist, islamisches "`Gruess Gott!"' quasi. Wir hätten auch Blumen geworfen und Hände geschüttelt. Nun wurden meine Augen ganz groß. Ich weiß nicht, ob es deshalb war, weil ich mir zuerst vorstellen musste, wie wir da ganz tadschikisiert mit Chalat und Stiefeln den Soldaten das Brot und Salz reichen. Oder ob es wegen diesem Geschichtsding war. Ich habe nun zwar nie was gegen die russischen Soldaten gehabt, das war ja für mich Geschichte von damals. Aber Russischunterricht scheisse und die russischen Soldaten auch scheisse dran, in ihren Uraltkasernen mit Nullausgang. Nun aber so was sagen wie Willkommensgruss, nee soviel trau ich meinen Geschichtsbalken nun auch nicht zu. Die wurden zwar nun schon ordentlich in 14 Jahren DDR belastet, aber biegen und brechen nee danke, da krieg ich ja `ne Gehirnerschütterung von, wenn das geht, so mit Geschichtsbalken im Kopf. Nun bin ich aber auch kein Mediziner. Aber interessant, die Geschichtsbalken von der Wissenschaftsabteilung wollte ich nun jedoch auch nicht wieder biegen. Warum bloß haben wir diesen Balken uns da in der Moderne eingebaut? Die Altvoderen haben sich einfach am Lagerfeuer eine kleine Geschichte erzählt. Die waren zwar nicht wahr aber hatte viel Wahres in sich, und der Hase wusste auch so, wo er lang laufen musste, aber das haben die Grimms nicht verstanden, und auch all die anderen auch nicht: die Herren Volksschullehrer alla Herder und Hegel. Haben uns also diese dings Aufklärer den Schlammassel eingebrockt. Und ich sitze hier am Laptop im Archiv und sinniere über die Altvorderen …. auch schon so ein Volksschullehrer geworden. Kommen nun plötzlich die Mädchen in den Keller, die Aspirantinnen von der Abteilung Wissenschaft. Nach der ausgiebigen Begrüßung fragen sie mich kichernd, ob ich mich nicht für die Kriegsveteranen als Hitler verkleiden wolle, das wäre doch ein Spass. Darüber nun haben wir alle gelacht. Und das gilt hier immer als die beste, weil noch kostenlose Medizin...

Samstag, 28. April 2007

Damenbart

Heute ist Freitag. Banale Feststellung, wenn man nicht gerade im islamischen Tadschikistan in der Stadt Khudjand am Basar wohnt (eine stalinistische Augenweide, das Du denkst, Frankfurter Allee in Berlin ist Bauhaus). Bloß dieser Basar wäre auch nicht jetzt der Basar, wenn in seiner Nähe nicht das Heiligtum der Stadt und die Freitagsmoschee wäre. Und die Freitagsmoschee ist das Symbol für eine islamische Stadt. Darf nicht jeder Ort haben, sind da so gewisse Kriterien, die erfüllt sein müssen. Egal, also Freitag mordswaslos bei uns vorm Haus. Zur gleichen Zeit, wie die Männer Gebetsteppich an Gebetsteppich legen und bis auf die Strasse rauf der Boden sich mit Gebetstüchern bedeckt, bin ich ins Museum. Und endlich Durchbruch. Die Abteilungsleiterin Wissenschaft darf mich im Museumsfond arbeiten lassen, nach nervenzerreissendem Kampf mit der Vizedirektorin, die den Verdacht hat, ich zahle der Abteilungsleiterin Bakschisch. Eigentlich sind da eineinhalb Wochen nicht wirklich viel Wartezeit. Ein Kollege von mir wartete letztens drei Monate auf die Erlaubnis, im Archiv arbeiten zu dürfen. Jetzt also ich ins Museum. Dann habe ich gesehen, was da für ein Durcheinander ist. Also quasi nicht Regal suchen, in dem die Bücher stehen, sondern Kiste suchen, in dem dokumentarisches Papier rumliegt. Nun haben wir eine Kiste gefunden voller Fotos. Die ist nun für die nächsten Tage mein erstes Opfer. Dann kamen zwei Mädchen von Abteilung Wissenschaft nach unten und haben gemeint, sie würden ein paar Kriegsfotos brauchen, da bald die Veteranen des Krieges sich im Museum zum 62. mal treffen, um alte Kriegserinnerungen auszutauschen. Dafür muss man den Saal ein bissel mit Panzerbildern und gefallenen Kameraden schmücken. Und die historischen Girlanden sollten sie in der Kiste finden. Nun war da alles andere als Kriegsfotos. Mehr so Fotos von verdienten Arbeiterinnen der 70er und 80er. Hübsche Mädchen, die Nähgarn auf die Webmaschine stellen. Da haben wir also Fotos geschaut und die zwei netten Mädels laufend gekichert und gequatscht. Ich habe nun nicht alles verstanden und ausserdem bin ich ja den hiesigen Mädels gegenüber immer etwas schüchtern. Habe also versucht nicht hinzuhören. Ging aber nicht, sie haben mich trotzdem manchmal in den Grund ihres Lachens eingeweiht. Aber ihr Lachen, das war so ansteckend, haben wir halt alle zusammen gelacht. Auf einmal wieder Gelächter. Ich frag, was los ist, sagen die Mädels, "`Hier die Soundso, schau mal, die hat einen Damenbart."' Frag ich zurück, ob man so heute nicht mehr so rumgehen würde. Nee, war die vollmundige Antwort, die zupft man sich doch raus! Aha! dachte ich, das ist also Sozialismus, Damenbart. Super, was für eine Metapher! In China spuckten sie vor lauter proletarischen Sitten anno 1994 noch die Zuege voll und haben sich dann in die Aule hinein gelegt (längst Vergangenheit), in der Sowjetunion Damenbart und in der DDR behaarte Beine und Achselhaar. Nicht das ich was gegen Achselhaar habe, oder behaarte Beine. Aber so sind sich im Kapitalismus und Sozialismus doch fremde Aesthätiken entgegengetreten. Kein Wunder, dass man keine von meinen Westtanten mit ein bissel Ostschick verwöhnen konnte. War halt komplett eine andere Aestetik. Nur jetzt im Retrogedöns kann sich die Avantgarde von Berlin Mitte gar nicht genug wund scheuern an der vergangenen Aesthetik. Bevor ich mich hier aber weiter mit den Werturteilen zurückhalten muss, mach ich mal lieber Schluss.

Dienstag, 24. April 2007

Zigeunerkanal

Gestern waren wir in der Nähe von Khodjand. Wir haben da naemlich so einen kleinen Knall, muessen am Wochenende immer raus. Spazieren gehen im Schloßpark Soundso. Nun haben wir diesen kleinen Knall also auch nach Tadschikistan mitgenommen. Und da man diesen Spleen am besten auslebt, wo die Einheimischen meinen, es sei schön, haben wir also gefragt: "`Wo erholt Ihr Euch denn so?"' Da geben die Einheimischen im Ferghanatal eigentlich immer ein Heiligengrab an. Und so sagte unsere Bekannte aus der hiesigen Wissenschaft also, "`Fahrt mal nach Dehmoj!"' Haben wir dann auch gemacht. Nur wussten wir nicht, was dort ist, nur was zum Erholen eben. Hält der Bus an der ersten Station und ich frage eine nette Uzbekin (Im tadschikischen Ferghanatal leben in den Dörfern fast ausschließlich UzbekInnen... Das wär toll das I jetzt klein zu schreiben. Hach! aber ich schweife ab.) Also ich frage die Uzbekin nun: "`Ist das hier das Dehmoj"'. Und sie fragt: "`Soundso oder Krankenhaus?"' Soundso hört sich nichtsagend an, aber Krankenhaus ist gut. Nun muß man wissen, dass in der Sowjetzeit Krankenhäuser in der Pampas immer da hingebaut wurden, wo eine heilige Quelle fließt oder ein Heiliger unter irgendeinem Baum gesessen hat. Und diese Naturdings wirken heute noch Wunder. Das also glauben die Leute hier, und selbst die Kommunisten konnten sich dem Glauben nicht so recht entziehen. War wohl auch sowas wie eine Säkularisierung des Ortes, dachten sie, nicht aber die Einheimischen. Die dachten, seht mal was der Mann-oh-Mann immer noch für eine Bedeutung hat. Bau'n sie ihm auch noch ein Krankenhaus zur Seite. Na jedenfalls wollten wir nicht bei Soundso aussteigen und Krankenhaus haben wir nun auch nicht gesehen, nur saftige grüne Berge. Nun sind wir also raus und stehen an der staubigen Strasse. Zu unserer Rechten ein Schild: "`Nationales Tuberkolosezentrum Tadschikstans"'. Zu unserer linken die staubige Strasse, dahinter Obsthain, aber mehr so privat ohne Wanderweg. Wie wir später erfahren, ist dahinter dann auch gleich Zaun und Grenze zu den Kirgisen. Aber das ist im Ferghanatal normal. Wo Du hinschaust, Grenze. Nicht das die hier so wichtig ist, kann man aber auch schlecht spazieren gehen, am Stacheldrahtzaun. Naja egal, wir steigen also am Nationalen Tuberkulosezentrum aus und fragen ein paar alte Frauen: "`Sagt mal, Wo kann man sich hier wohl erholen."' Sie wissen es auch nicht, wissen eben nur, dass es hier nicht geht, weil Krankenhaus. Naja, dann weitergefragt. Und Gegenfrage: "`Wollt Ihr zur Präsidentendatscha?"' "`Hmm, ja"' sag ich, weil der wird schon wissen, wo man sich hier prächtig erholt. Also kriegen wir raus, dass wir noch zwei Stationen weiter dürfen, und stehen an der staubigen Strasse. Nicht das die schon immer staubig war, jetzt bauen hier aber die Chinesen den Tadschiken eine Strasse hin, das du sagst, meine Herren! Die Chinesen sind ja nun wirklich die Strassenbaumeister hier, haben ja auch das feine Kunststück mit dem Karakorumhighway hingekriegt. Gilgit in Pakistan und Kashgar in China mit einer Strasse verbunden, die an den krassesten 4000ern vorbei geht. Aber egal. Die Chinesen bauen also die Strasse und die ist auf Kilometer hin aufgerissen. Macht man! Aber was soll ich sagen, irgendwann sind wir da eben auch mal angekommen am Erholungsort. War eine Quelle, an der vor 750 Jahren Hastenichtgesehen begraben wurde. Eine ordentliche Legende wusste nun der Heiligengrabvorsteher auch nicht, die haben da sonst immer so ein Konvolut im Kopf, dass Du denkst, der Harzer Sagenschatz ist was für Pränatale.

Also sind wir herumspaziert, ging aber nicht, weil zu klein, und eine ganze Gruppe Türkei-Türken beim Schaschlikmachen. Berlin Tiergarten in transition. Wie wir aber wegfahren, holt uns der Taxifahrer von eben wieder ab und zeigt uns sein Dorf. Lobt seine Gegend, weil sie soviel Wasser hat. Das Dorf durchziehen vier Kanäle mit Rauschewasser. Der oberste davon heisst Zigeunerkanal. Der heisst so, sagte der Taximann, weil die Zigeuner hier immer im Frühling herkamen und ein paar Tage dort campiert haben. Das Wasser gut, die Gegend auch schön, naja, so was von Lebensunterhalt hat er nicht erzählt. Sie seien da bis in die sechziger immer mit ihren Arbas dagestanden. Dass sind die hiesigen Kutschen mit riesigen Rädern wegen der Schlammwege und dem Steckenbleiben. Auf diesen Kutschen hatten sie ihre Zelte und lebten von der Kutsche aus. Mit Ende Sechziger war Schluß. Danach kamen sie nicht mehr, er hat sie in seiner Jugend noch gesehen. Der Zigeunerkanal heisst aber immer noch so. Und das war nun wirklich interessant.

Montag, 23. April 2007

Unterm Halbmond

„Habt Ihr den Mond gesehen?“ fragte ich Ghayrat, Abdusattor und Nasim. Nasim hatte gerade die gute alte Belomor in der Hand. Belomor, musst Du wissen, sind spezielle Zigaretten mit scheußlichem Tabak aber genialem vorgefertigten Filter. Das Innere haust Du weg. Das Äußere gebrauchst Du, wenn Du willst. Bei einer Banane ist es umgekehrt. Nasim hatte also das Ding in der Hand und praeparierte es fuer einen Joint.
„Ja“, sagte Nasim. „Weißt Du was ist, wenn ein Mond so eine rasierscharfe Klinge hat?“ fragte mich Nasim altklug. Ich schwieg. „Dann beginnt fuer uns Muslime ein neuer Monat!“ Tja, mal gut, das ich nicht dazwischen geplappert habe. Weiss ich zwar längst, das mit dem Mondkalender, aber man hat ja nie alles immer parat. Dann baute er gemaechlich weiter und wir schwiegen.

Dieser Dialog nun ging mir durch den Kopf, vorhin. Oh, scheisse, dachte ich. Schon wieder ein Monat, ist egal ob hier Mond oder Sonne. So eine Ansage bringt auf jeden einen auf den Gedanken, doch mal zu resuemieren. Dann hab ich mir gesagt, musst Du eben was schreiben. Die daheim meckern schon: „Jaja, sagt, dass er Blog schreibt und Pumpe is!“ Okay okay, ich geb’s ja zu. Texte gingen mir schon lange durch den Kopf. Aber Frau und Kind, die wollen auch, ach scheisse nur Ausreden. Also an Texten hatte ich lange herumgedoktert. Besonders der mit dem falschen Fuffziger. Den hab ich nun schon seit zwei Wochen in der Birne, schreib ihn aber nicht aus. Egal. Also das mit dem falschen Fuffziger is ja nun so ne Redensart. Aber wie wir so in Taschkent ankommen, merke ich auf ein Mal, dass die Preise geklettert sind. „Kein Wunder“ hören ich Dich schon sagen, „Ham die einfach die Preise behalten und EURO hinter geschrieben.“ Aber Eurochen is ja nicht in Taschkent, sondern sum. Und der ist nun an den Dollar gekoppelt. Quasi, Woll’n sie gerne. Aber egal. Der ist aber gleich geblieben. Also der Kurs. Heisst. Leben wird enger, wenn die Preise steigen aber die Pinke pinke, die man auf die Hand kriegt, nicht mehr das Kleingeld wert ist. Au scheisse, da hab ich mir also die Pointe geklaut. Also, wie wir so Bus fahren und auf dem Markt einkaufen gehen, merke ich: Die ham hier keinen Preis mehr mit irgendwas und fuffzig. Ne, glatte Hundert, Tausend oder so. Denke ich mir. Falscher Fuffziger. Der Hunderter. Oder der Tausender, egal. Wenn se den Fuffziger nicht mehr ehren, dann gute Nacht. Und dann ist mir eben immer wieder aufgefallen, wie viele falsche Fuffziger es sonst noch so auf der Welt gibt. Hatte Tausende davon im Kopf. Aber nun ja, hab sie alle wieder vergessen. Außer einen. Da war doch dieser Boxkampf, Valuev gegen Chagaev. Und Chagaev, der nun ist wieder ein Usbeke. Deswegen war ich schon ganz gespannt drauf, wer denn nun gewinnen wird. Das Vorzeigemonster oder der kleine Haempf. Nicht nur damit ich mitreden kann, sondern auch so. Hat dann eh keinen hier in Usbekistan interessiert. Jaja, waere das Ringen gewesen... Dickes Ding! Nun ist also dicke Zeitverschiebung, drei Stunden, aber egal, Boxen muß sein. Und so habe ich letzte Woche doch wirklich durchgehalten. Habe halb drei in die Glotze geschaut. Das Programm, das was gesendet hat, war nun ein Russisches. Quasi Sportkanal auf Russisch mitten in der Nacht. Und die Bloedmaenner, wieder voll der falsche Fuffziger, blenden doch zwischen jeder Runde ihre Reklame ein. Aber nicht irgendwas, ne: „Hallo, ich bin dein kleines Luder, und habe Lust auf versaute Spiele.“ Und das nun wieder bei den Usbeken, inner Gastfamilie, die schon schlief, hoffentlich. Aber einer war dann doch gut. Schreit eine Dominante: „Russische Soldaten, ruft mich an!“ und dann wieder -- schwenk -- siehst Du russische Soldaten. 17 und 18 Jahre alt nicht mehr, im Buddelkasten in Armeeuniform, die wie auf Bestellung ins Handy eintippen.

Nun gebe ich also diesen Text der Dorothea zu lesen und was sagt sie? „Albernes Spelunkengetue. Kannst doch sonst so schoen intelligent schreiben“ und nimmt sich wieder den Brenner zur Hand. Ertappt denke ich, mache ich doch nur wieder eine billige Kopie. Werde ich also wieder intelligent schreiben. So mit langen Saetzen und so, ueber Land und Leute. Na mal sehen.

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Olim ist ein arabischer Vorname, der sich aus der Silbe ilm ableitet und soviel heißt wie der Wissende oder Wissenschaftler. Ich habe den Namen 1994 in Buchara verliehen bekommen und ein Jahr später angefangen, Mittelasienwissenschaften zu studieren. Das tue ich heute immer noch im fortgesetzten Stadium. Devona ist ein Wort das man fuer verrückt, entrückt, weggetreten benutzen kann. Es hat immer irgendwie mit Liebe zu tun, zu den Menschen, zum Leben, zu Gott. Naja und das zusammen macht die Figur Olim devona aus. Manchmal schlüfe ich in sie hinein und fuehle mich dann total devona.

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