Donnerstag, 15. Dezember 2005

Tagtraum

Es war ein herrliches Land, die meisten Monate war es warm, manchmal heiß aber da Bernd in den Gefängnismauern zu tun hatte, die immer eine nette Kühle abgaben, war es sogar in der Hitze erträglich. Die Sprache war auch gar nicht so schwer, man war ja schließlich quasi Sprachverwand: "Terapia-e dasti shabva in germanecba shudmi?" Hieß soviel wie: "Hat der deutsche Gefangene schon seine manuelle Therapie gehabt?" Darauf kam dann immer die Antwort, "In shabva se shor mahal" "Heute Nacht waren es drei vier mal!" Früher hatte Bernd diese manuellen Therapien selbst anlegen dürfen. Das waren andere Zeiten. Er war beschäftigt damals im Stasigefängnis in Hohenschönhausen und wohnte gleich nebenan. Damals gab es da mehrere Methoden und Behandlungsräume. Aber das zählte seit der Vereinigung als Folter und durfte nicht mehr angewandt werden. Deshalb wurde diese Ermittlungsmethode out-ge-sourced wie man so schön neudeutsch sagt und Bernd hatte nur noch die Früchte der Entwicklungsarbeit zwischen den Partnern zu ernten. Das war ein Deal, auch wenn es ihn nicht glücklich machte, weil Bernd manchmal das Gefühl hatte, dass die Tadschikejn es nicht richtig machen, also schon richtig aber eben nicht so gründlich wie er vorgegangen war, früher. Auch passten sie nicht so genau auf beim Zuschlagen. Man konnte doch immer wieder Spuren ihrer Gewalt erkennen. Naja, aber die neuen Regel zwangen einen eben auch zu Kompromissen. Aber als er das von seinen amerikanischen Kollegen gehört hatte, dass sie wieder sich auf sich selbst verlassen würden, das beeindruckte ihn. Die Jungs, obwohl er mit seiner antifaschistischen Ausbildung eigentlich nicht so besonders gut auf die Amis zu sprechen war, die Jungs würden das einzig Richtige machen. Willst du was wissen, reicht es nicht von Ferne zu lauschen. Willst du was wissen, mußt du beim Stromstoss schon dein Ohr in der Nähe des Terroristen haben! Naja, egal man konnte nicht alles haben. Wenigstens war er in einem schönen Land. Die Berge waren im Sommer schneebedeckt, die Almen der Berge kannten tausend Farbspiele.

Es wurde Mittag der Tee und eine Netzmelone wurden zur Erfrischung gebracht. Er wollte danach gleich anfangen, die Folgen der manuellen Therapie auszunutzen und in den Ermittlungen fortzufahren. Er war ja schließlich nicht zum Schwärmen hier. Aber die Arbeit machte eben Spass, dass fühlte Bernd sehr genau. Er stoß die Tür auf und zwei dieser ängslichen Terroristenaugen starrten ihn an. Der mußte doch wissen, das er von Bernd nichts körperlich zu befürchten hatte! Naja, die lernens eben nie...

Autsch! Bernd zuckte zusammen. Er hatte sich gerade seine Finger an einer Zigarette verbrannt, die er sich angezündet hatte, bevor der Tagtraum ihn übermannte. Er saß in seiner Zweizimmer Wohnung in Berlin Hohenschönhausen und starrte aus dem Fenster auf seine ehemalige Arbeitsstelle, das Stasigefängnis. Er beneidete seine Exkollegen vom BND, die konnten noch richtig arbeiten. Er selbst hatte durch die Geburt am falschen Ort keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt der Folterer.

Mann! Das war 'nen Traum, er in Tadschikistan und endlich wieder arbeiten! Bernd war seit mehr als zehn Jahren qausi arbeitslos. Er war bei mehreren Wachschutzfirmen gewesen aber das war alles nichts, seit Harz IV bekam er fast genauso viel wie bei Zeitarbeitsfirmen. Bernd machte sich eine Kaffee und schaute aus dem Fenster. Vor ihm das Stasigefängis Hohenschönhausen. Das waren Zeiten damals...

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Olim ist ein arabischer Vorname, der sich aus der Silbe ilm ableitet und soviel heißt wie der Wissende oder Wissenschaftler. Ich habe den Namen 1994 in Buchara verliehen bekommen und ein Jahr später angefangen, Mittelasienwissenschaften zu studieren. Das tue ich heute immer noch im fortgesetzten Stadium. Devona ist ein Wort das man fuer verrückt, entrückt, weggetreten benutzen kann. Es hat immer irgendwie mit Liebe zu tun, zu den Menschen, zum Leben, zu Gott. Naja und das zusammen macht die Figur Olim devona aus. Manchmal schlüfe ich in sie hinein und fuehle mich dann total devona.

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