Dienstag, 1. August 2006

Die Cowboystadt

Traijko Petrovskij ist ein Tsiganologe, der aus der Gemeinschaft der türkischen Roma kommt, in Zagreb Ethnologie studierte und zu einem tsiganologischen Thema promovierte. Mit ihm habe ich mich gestern getroffen, um über gemeinsame Forschungsinteressen zu reden. Wir sassen zusammen im Stadtzentrum von Shutka und er sagte, als wir uns dieses Treiben auf den Strassen so ansahen: „Shutka ist eine echte Cowboystadt.“ Wie recht hat er damit! Shutka ist wirklich eine Cowboystadt, nur sind die Pferde mittlerweile motorisiert. Die Kutschen fahren mit oder ohne Verdeck, vollverspiegelt oder offen, mit 6 oder 9 Musikboxen, mit Allrad, mit Sternen oder bayrischen blau weiss Zeichen im Kreis verziert. Manche Cowboys haben sich Roller zugelegt, fahren mit ihnen auf einem Rad durch die Innenstadt. Der neueste Schrei sind die vierrädigen Buggies. Auf ihnen wird geritten und gepost, was das Zeug hält. Cowboyhüte, Fransenjacken, Sporen und Pistolenguertel sind durch andere Symbole ersetzt worden: Sonnenbrillen, umgehängte mp3 Player, Handies, Turnschuhe. Draussen gehen die Gluecksritter erfinderisch auf die Suche nach Goldadern im kapitalistischen Djungel, zu Hause werden die Entbehrungen da draussen gefeiert, die Scheine sitzen locker, der Hahnenkamm wird mit Gel gestylt.

Ein Dialog aus dem Saloon:

-- „Hey was geht, was machst Du hier?“
-- „Ich, ähm, ich mache hier Urlaub. Wir haben hier einen Freund ….“
-- „Was nun, hast du schon jemanden zum Ficken?“
-- „ Äh, nein, die Maedchen sind zwar echt der Hammer hier..“
-- „Also was, du hast keine zum Ficken? Mann, was machst Du dann hier?“

Das ist Cowboyslang, das sind Cowboygedanken … Wie war das mit der zweiten Etage ueber den Saloons und den vielen Zimmerchen immer?

Posen ist wichtig hier. Denjenigen, die nicht in Pomp und Stolz aus dem Ausland kommen, wird unter den Cowboys nachgesagt, sie wären Versager.

Posen ist wichtig hier. Nicht nur fuer die Cowboys, die von weit her aus der Prärie kommen, auch für diejenigen, die immer hier wohnen.

Eines der Beispiele par excellence war heute in der Stadt zu bewundern. Ein stolzer Vater eines frisch vemählten Bräutigams fuhr heute durch die Strassen, auf einer Kutsche vorn mit dem Bild des frisch vermählten Paares, hinten mit einem Bild des Paares mit Vater und Mutter.

Hochzeitsfoto

In der Kutsche waren ein Dutzend Stiegen Fanta, Cola, Bier und Wasser gestapelt. Die Kutsche wurde begleitet von vier Musikern mit Schalmeien und Pauken, mehrere Helfershelfer verteilten in der gesamten Stadt an die Kinder Bonbons und Riegel. Er fuhr von Haus zu Haus und besuchte einen jeden, der auf seiner Hochzeit gewesen ist, um sich für sein Kommen zu bedanken. Die einen oder anderen forderte er zum Tanz auf offenener Strasse auf. Stau, Gestaune und Gemurmel auf alle Gassen. Hier setzte sich einer richtig in Szene.

Pferd

Nur war anscheinend die Wirkung dieses Posens hier in der Nachbarschaft verfehlt. Es wurde der Kopf geschüttelt, wie er da prasst. Wann ist er eigentlich in den letzten 15 Jahren mal mit seiner Familie in den Urlaub gefahren, fragten sie sich? Wo liegen hier Neid, wo Skepsis? Das Verhältnis zwischen Repräsentation und Praxis ist von jeher spannungsreich, bei den Cowboys aus der Prärie wie bei den Städtern Shutkas.

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Olim ist ein arabischer Vorname, der sich aus der Silbe ilm ableitet und soviel heißt wie der Wissende oder Wissenschaftler. Ich habe den Namen 1994 in Buchara verliehen bekommen und ein Jahr später angefangen, Mittelasienwissenschaften zu studieren. Das tue ich heute immer noch im fortgesetzten Stadium. Devona ist ein Wort das man fuer verrückt, entrückt, weggetreten benutzen kann. Es hat immer irgendwie mit Liebe zu tun, zu den Menschen, zum Leben, zu Gott. Naja und das zusammen macht die Figur Olim devona aus. Manchmal schlüfe ich in sie hinein und fuehle mich dann total devona.

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