Freitag, 4. August 2006

Pikante Themen: Bettelei

Almosengeben ist im Islam tiefer in die religiösen Pflichten und die alltägliche Praxis eingeschrieben, als es in der heutigen christlichen Welt der Fall ist. Doch waren auch im Christentum Nächsten- und Armenfürsorge eine wichtige Stütze der vor allem städtischen Gesellschaften, in die es die Bettler vom Land in Scharen zog. Städtische Gesellschaften -- Scharen von Menschen sind wohl die besten Umgebungen, ein paar Bettler anzutreffen. Gestern wurde in Mazedonien das Fest des Hl. Elias (Sv. Iliyus) gefeiert, ein Tag, an dem die Menschen in Scharen zu den orthodoxen Kirchen strömen und hier wallfahren. Solche Tage sind gerade für das Betteln bestens geeignet.

Die Kirche von St Elias in Skopje liegt auf einem Berg. Die Wallfahrt wurde hier vor allem von muslimischen Zigeunern absolviert, ein paar orthodoxe Mazedonier waren aber auch darunter. Obwohl die muslimische Geistlichkeit dies als Affront gegen den Glauben empfindet und nicht müde wird zu betonen, dass es Sünde sei, kommen hierher tausende von Zigeunern .

Bei den Zigeunern kann an diesem Fest Menschen mit unterschiedlichem sozialen Status beobachten. Während bei den im Ausland arbeitenden Glücksrittern das Geld locker sitzt, sie in den Cafes Essen und Trinken, bestreitet die einheimische Mittelschicht den Tag mit Picknick, Kirch- und Spaziergang. Zigeunerische Händler säumen den Weg, bieten Plastikwaffen, Ikonen und Suessigkeiten feil. Bettler sitzen allerorten und machen die Hand auf.

Bettler

Das Betteleigewerbe ist dabei genauso organisiert wie andere Gewerbe. Bestimmte Plätze werden von den immer gleichen Personen, Gruppen oder Familien besetzt. Ist ein Ort besonders lukrativ, so wird hier stark um die Rechte gekämpft. In der Hauptstraße von Shutka gibt es ein Cafe, dass ist am Wochenende der Hauptversammlungspunkt aller Jugendlichen. Auf engstem Raum drängen sich hier hunderte. Wo die Menschen in Scharen kommen, lohnt sich auch das Betteln. In diesem Cafe betteln vor allem Jungs. Sie sind selten älter als 9. Hier hört das Bettelalter auf. Damit das Betteln aber nicht überhand nimmt, gibt es vor dem Cafe stärkere Jungs, die andere Bettlergruppen davon, abhalten in das Cafe einzudringen. An der Grenze zwischen Cafe und Strasse kann es deshalb gang schoen heftig zugehen. Da raufen sich die Jungs um die Vorherrschaft an der Grenze.

Bettelei hat in den wenigsten Fällen mit Armut zu tun. Da dies aber eine Hauptvoraussetzung ist, von den anderen als Bettler angesehen zu werden, entsteht oft bei Außenstehenden der Eindruck einer unvorstellbaren Armut, in denen die Bettler leben. Bettelei lohnt sich, ansonsten würden betreffende Personen anderen Erwerbszweigen nachgehen.

Der sichtbare Teil der Bettelei sind die auf der Strasse sitzenden Frauen, Kinder und Invaliden. Ein bettelendes Kind wird bis zum 7 bis 9 Lebensjahr auf die Strasse gehen koennen. Danach verliert es seinen Opferstatus und ist zum Betteln nicht mehr geeignet. Entweder steigt er dann in die Hoehen der Organisatoren auf oder er wird mit noch niederen Taetigkeiten wie Muell sammeln sich zufrieden geben muessen. Steigt er also auf arbeitet er im Hintegrund.
Hinter den sichtbareen Teil der Bettelei stehen Familien oder einzelne Gruppen, die organisieren, kontrollieren, die Almosen einsammeln und wieder innerhalb der Gruppe der inneren Hierarchie gemaess verteilen.

Und Bettelei ist mitnichten ein Tabuthema unter den Zigeunern. Für einige gehört es als Einnahmequelle einfach zum Leben dazu. Neulich sah ich ein schönes Mädchen, dass sich unter der Last ihrer Dinge, die sie vom Markt wieder zurück schleppte, ganz krümmte. Man hätte fast denken können, sie hätte eine schiefe Hüfte. Sie stellte die Sachen bei ihrer Freundin im Stadtzentrum ab und ging ersteinmal schnell eine Runde Betteln. Als sie durch die vier, fünf lukrativen Plätze durch war und ein bisschen gesammelt hatte, nahm sie wieder ihre Sachen und ging nach Hause weiter.

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Olim ist ein arabischer Vorname, der sich aus der Silbe ilm ableitet und soviel heißt wie der Wissende oder Wissenschaftler. Ich habe den Namen 1994 in Buchara verliehen bekommen und ein Jahr später angefangen, Mittelasienwissenschaften zu studieren. Das tue ich heute immer noch im fortgesetzten Stadium. Devona ist ein Wort das man fuer verrückt, entrückt, weggetreten benutzen kann. Es hat immer irgendwie mit Liebe zu tun, zu den Menschen, zum Leben, zu Gott. Naja und das zusammen macht die Figur Olim devona aus. Manchmal schlüfe ich in sie hinein und fuehle mich dann total devona.

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