Donnerstag, 17. August 2006

Aus Bulgarien

Diese nächsten drei Beiträge habe ich heute unserem lieben Kollegen, der uns ebenfalls nach Shutka begleitete aber dann weiter nach Bulgarien zu Freunden fuhr. Er hat sie mir freundlicher Weise zur Verfügung gestellt.

Das Hostel

[Autor: Jens Jensen]

Stevan traf ich in einer Seitenstraße im alten Varna. Er war gerade mit dem Rad und zwei Kumpels unterwegs. Und weil ich noch keine Bleibe für die Nacht gefunden hatte, fragte ich ihn, ob er nicht eine Idee hätte, wo man für wenig Geld unterkommen könnte. Darauf antwortete er, dass er nur ein kleines Hostel kennt, was er vor ein paar Tagen eröffnet habe. Es sei ganz in der Nähe. Er erzählte wie er die letzten Jahre im Hostel von Plovdiv gearbeitet habe, dass er und seine Freunde immer die nationalen "Hacky-Sacky"' Meisterschaften veranstalten und seine Freundin sogar die nationale Meisterin ist. Mir kam das alles nicht spanisch sondern eher chinesisch vor, da ich keine Ahnung hatte was ''Hacky-Sacky'' sein sollte und der Typ wie 19 aussah... Aber alles was er erzählte stimmte (außer dass das Hostel nicht in der Nähe war;-) Er hatte ein kleines Hostel in einem Hinterhof aufgebaut: Zwei Zimmer, zehn Betten, Internetzugang und die üblichen Verdächtigen. Drei Niederländer, noch drei Iren (darunter das einzige Mädchen), ein Kanadier und ein Australier waren die Insassen. Ich fragte sie, ob sie ''Hostel'' von Tarantino gesehen hätten und deshalb nicht nach Bratislava gefahren seien... Aber nein, Bulgarien ist als Reiseland schon lange etabliert. Besonders die Schwarzmeerküste mit ihren bekannten Seebädern und Hotelburgen ist voll von Pauschaltouristen. Die Rucksacktouristen hingegen landen bei so Leuten wie Stevan, die ihr eigenes kleines Geschäft eröffnet haben...

Die Kirche und der Markt

Stevan warnte mich auch nachts nicht durch den Park um die Kirche des heiligen Kyrill und Methodius, dem Sitz des Metropoliten zu gehen. Tagsüber finden dort Prozessionen und öffentliche Veranstaltungen statt.
Kirche-des-heiligen-Kyrill-
Aber es ist wie die andere Seite der Medaille. Am Abend etwa ab 11, könne man dort nur noch Prostituierte und Verbrecher finden.

Kirche und Park sind im Zentrum von Varna, gegenüber ist ein Gemüse- und Souvenirmarkt und die Polizeipräfektur ist auch nicht weit... Das nützt aber nichts. Denn am Nachmittag, nachdem meine Begleiterin und ich uns dort ein Kilo Weintrauben verinnerlicht hatten, wurde ihr von einem Zigeunermädchen das Handy geklaut. Ich war schon ein paar Meter weiter gegangen und schwatzte mit einer Gemüseverkäuferin, die mich in perfektem Englisch eindringlich warnte, auf mein Geld aufzupassen. Ich lachte nur und im selben Moment war es schon geschehen. Ich versuchte mit meinen „glänzenden“ Romanikenntnissen noch bei einer zigeunerischen Händlerin etwas über die Diebe zu erfahren und sagte, dass wir das Handy zurück kaufen wollen. Sie bekundete aber nur ihr Mitleid und wollte mir dann doch lieber neue Schuhe verkaufen ... Liegt das vielleicht an meinen sechs Jahre alten Teva-Sandalen???

Solche Ereignisse nähren das schlechte Image der Zigeuner und bemerkenswert ist, dass selbst „tolerante“ westliche Besucher und Touristen abfällig bis rassistisch über Zigeuner sprechen, wenn sie selbst es sind, denen etwas gestohlen wird. Diese Erfahrung habe ich selbst mit Menschen gemacht, die in einer Hilfsorganisation arbeiten. Einen Kommentar, der dieses Gefühl in Worte fasst, konnte ich auch aus dem Munde meiner Begleiterin hören: „Was ist das für ein Volk, wo schon die Kinder zum Stehlen erzogen werden?“

Ich konnte diesen Vorwurf auch nicht vollständig entkräften, obwohl ich beklagte, dass das eine grobe Verallgemeinerung sei und gerade den hier wohnenden Zigeunern scheinbar wenig legale Einkommensquellen zur Verfügung stehen. Der Fakt aber bleibt, denn es war kein Einzelfall. Als wir ein bis zwei Stunden später zum Markt zurückkamen und ich noch mal mit der englischsprachigen Gemüsehändlerin sprach, berichtete sie, dass die gleiche Gruppe zurückkam und noch einmal einen Touristen bestohlen hatte.

Shutka

Ich weiß nicht viel über die Situation der verschiedenen Zigeunergruppen in Bulgarien, aber die Verhältnisse erinnern mich an Rumänien, wo ebenso ein sehr angespanntes Verhältnis zwischen Zigeunern und Mehrheitsbevölkerung besteht. Im Vergleich dazu ist dieses Verhältnis in Makedonien, in Shutka, wo ich vorher eine Woche zu Besuch war, fast konfliktfrei.

Triumphwagen-in-Shutka

Die meisten Roma haben im ehemaligen Jugoslawien Berufe erlernt und viele verdienen heute ihr Geld als Gastarbeiter in Deutschland, Frankreich, Belgien oder Italien.

Ein makedonischer Taxifahrer, den ich nach seiner Meinung über Zigeuner fragte, sagte nur „veseli narod“, ein lustiges Völkchen.

Das lustige Zigeunerleben

Am Abend saß ich wieder in einer Kneipe mit Life-Musik. Ich brauche nicht mehr zu erwähnen, dass die Musiker Zigeuner waren... ;-) Es gab vier Sänger, die sich abwechselten, so etwas wie einen kleinen Wettstreit lieferten und was mich wunderte war, dass ich die meisten Roma-Hits schon aus Rumänien, Serbien oder Albanien kannte. Ohne sagen zu können, in welchem Land der Ursprung dieser internationalen Hits liegt, kann man festhalten, dass die Zigeunermusiker sehr gut wissen, was in den anderen Ländern des Balkans „in“ ist und viele Lieder einfach nur übersetzen und in ihrem eigenen Stil interpretieren.

Musiker-in-Varna

Während das Musizieren ganz und gar dem lustigen Zigeunerleben zu entsprechen scheint, entspricht ein anderes traditionelles Gewerbe dem schon weniger: Denn statt einen großen Bogen um den anfangs erwähnten Park an der Kirche des heiligen Kyrill und Methodius zu machen, ging ich nur am Rand vorbei. Trotzdem hatte ich schon nach wenigen Schritten eine, zwei, viele zigeunerische Prostituierte um mich, die mich am liebsten in die Büsche geschleift hätten... Am Anfang versuchte ich noch irgendwas auf Romani, Rumänisch oder Deutsch (die eine hatte in Deutschland gearbeitet) zu sprechen, als es aber immer mehr wurden und sie mir immer weiter an die Wäsche gingen, musste ich schließlich die Flucht ergreifen ... In Rumänien hatte ich kaum gehört, dass sich Zigeunerinnen prostituieren, aber in Bulgarien scheint das sehr verbreitet zu sein. Beim Trampen wurden wir einmal von einem 51jährigen Mann mitgenommen, der Geschäftsführer einer großen Firma war. Er selbst war gerade von seiner 19jährigen Freundin verlassen worden war, nachdem sie drei Jahre mit ihm zusammen gelebt hatte, aber darum geht es eigentlich nicht, sondern darum, dass er erzählte, dass man schon für 1 Euro mit einem zigeunerischen Mädchen schlafen kann. Die Info stammte natürlich nicht von ihm, sondern von einem seiner Fahrer, was ich ihm in diesem Fall auch glaube, da für ihn Geld keine Rolle zu spielen schien.

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Olim ist ein arabischer Vorname, der sich aus der Silbe ilm ableitet und soviel heißt wie der Wissende oder Wissenschaftler. Ich habe den Namen 1994 in Buchara verliehen bekommen und ein Jahr später angefangen, Mittelasienwissenschaften zu studieren. Das tue ich heute immer noch im fortgesetzten Stadium. Devona ist ein Wort das man fuer verrückt, entrückt, weggetreten benutzen kann. Es hat immer irgendwie mit Liebe zu tun, zu den Menschen, zum Leben, zu Gott. Naja und das zusammen macht die Figur Olim devona aus. Manchmal schlüfe ich in sie hinein und fuehle mich dann total devona.

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