Montag, 20. Februar 2006

Die armen Pennäler

In einem sehr witzigen Beitrag, hat sich Christoph Koch dem von der Zitty vorgeschlagenen Begriff angenähert und ihm keine Zukunftschancen vorausgesagt.
Wir wollen hoffen, dass er Recht hat. Als Provokation scheint der Text von Mercedes Bunze ja sehr gut zu funktionieren. Für die Denkanstöße, die hier aus der Diskussion kommen, müsste man sehr dankbar sein, wenn es sich um ein ernstes Phänomen handeln würde. Die urbanen Penner (Penne ist ein rotwelsches Wort mit der Bedeutung temporäres Nachtquartier) jedoch sind ein temporäres Phänomen. Sie sind die Leute in der Durchgangsstation von den Ausbildungsstätten in den sicheren Hafen einer selbst geschaffenen oder angenommenen Stelle. Es wäre so, als ob man über die Befindlichkeiten von Zugvögeln sprechen wollte. An ihrem Herkunftsort spricht man nicht mehr über sie, an ihrem Bestimmungsort kennt man sie noch nicht. Doch die Zugvögel zwitschern uns zu: „Schaut her, wie arm wir sind! Wie wir uns abrackern müssen, um ins Warme zu kommen!“ Diese Durchgangssituation, diese Passage gewissermaßen wird als unerträglich empfunden. Doch war das nicht schon immer so? Die kleinen Aufsteiger beschreiben fröhlich ihre Lage, während die Jungs unten keine Stimme haben, um sie zu erheben. Da braucht man dann die Walraffs, die Jaubaris oder die anderen undercover Agenten der sozialen Bekenntnis, die den Leuten sagen, was im Lebensraum der Armen wirklich los ist. Denn die Vögel in den warmen Nestern haben es nicht so gern in der Unterwelt. Da ist es heiß, stickig und eng.

Was ich jedoch so frappierend finde, ist eher das Schweigen, als das fröhliche Gezwitscher. Intellektuelle Beglückungsideologien gibt es ja immer wieder. Aber haben denn die Jungs und Mädels da unten wirklich keine Lust die Stimme zu heben? Oder können sie es nur nicht artikulieren?

Meine Cousine (Frisöse,23) sollte vor ein paar Wochen für einen Sammelband zu Opas Achtzigsten eine Erinnerung an die beiden aufschreiben. Das Ergebnis war eine liebe Geschichte, jedoch mit Sprache und Orthographie, die in keiner der intellektualistischen Gesprächsrunden bestand haben würde. Sie würde ihre Kraft auch gar nicht einsetzen, teilzuhaben, weil ihre Herangehensweise an ihr Leben so gar nicht kompatibel zu den anderen der Intellektuellen ist. Es hat nichts mit Schläue oder Ausbildung zu tun, sondern nur mit sich fremden Lebenswelten, über die es kaum kommunikative Brücken gibt. Meine einzige Brücke zu ihr ist die Verwandtschaft, eine Brücke der ich dankbar bin, denn ohne diese hätte ich wohl mit ihr und auch ihrem Leben, so gar nichts zu tun. Die Welt dieser kleinen Frisösin würde für mich verschwiegen bleiben.

Ich glaube, dass die meisten der schiefgegangenen Beglückungsideologien mit der Fremdheit beider Welten undmit dem Übersetzungsversuch zu tun haben.
Diejenigen, die es wagen, Fremdbeschreibung abzuliefern, sind in einem Übersetzungsprozeß verfangen, der von „unten“ nach „oben“ übersetzt und oben gestrenge Analysten hat, die nur auf das kleinste ungenaue Wort warten, um den Übersetzungsversuch zu zerstören. Ist also vielleicht die Übergangsphase des Pennälertums nicht vielleicht genau die Zeit, in der wir auf dem Weg nach Oben, die Erfahrung des „da unten“ mittransportieren sollten? Wenn das den Zugvögeln gelingen würde, wäre einigen auf der Welt damit geholfen.

Oder machen wir es etwa immer und überall so, wie mit dem von Norbert Elias beschriebenen Phänomen, dass auf die uralte Aufforderung: "Erkenne Dich selbst!" wohl immer wieder geantwortet werden würde: "Das will ich eigentlich gar nicht so genau wissen!"

Freitag, 17. Februar 2006

Eure Armut kotzt mich an!

Gerade scheint ein Artikel in der Zitty für Furore im Netz zu sorgen. Er behandelt die urbanen Penner: Sie sitzen mit Laptops in der Sandwich Lounge, spielen am Mobiltelefon und schlürfen einen Milchkaffee für 3 EUROnen. Sie bekommen 1200 Euro jeden Monat und geben sie für sich, die Büromiete, das Handy und die Wohnung aus. Sie können jeden Tag noch bis spät in die Nacht arbeiten und keiner hat sie lieb. Die Liebe von Mami und Papi reicht ihnen nicht mehr, sie vertauschten sie gegen das Geld. Und sie fühlen sich ganz arm...

Nigel Barley schrieb einmal über die Armut in der modernen westlichen Welt: Armut sei nicht mehr die Not am Überleben, wie man sie in anderen Regionen der Welt kennt. Armut ist das Gefühl, zu leiden, weil man es nicht schafft, seine materiellen Bedürfnisse zu stillen. Dass sich der promovierte Kulturwissenschaftler und Autor in der Stadtillustrierten Zitty selbst als arm beschreibt scheint seinen Leidensgenossen sehr zu gefallen, die Reaktionen im Netz sind grandios. Sie sind grandios weil sie ein Bild für die junge Generation unserer Mittelbürgerschichten zeichnen.

Dieses Bild zeigt nun sein krankes Gesicht. Wir sind in wirtschaftlicher Sicherheit aufgewachsen und unsere Eltern, die es zum Teil noch anders kannten, machten es möglich, die Grundlagen zu legen, die uns schließlich zu dem machten, was wir sind. Sie fuhren mit uns in den Wintersport, im Sommer an die Meere, mit dem Fahrrad oder Auto durch entfernte Gebiete. Sie ließen uns mit Taschengeld bewaffnet die Welt der kleinen Lebensmittel- und Klammotten-Läden erobern. Sie ließen uns studieren und wer sich hier nicht genügend unterstützen lassen konnte, versuchte es auf Staatsdarlehen, Sozialkosten und/oder eigenen Jobs. Nun haben wir Laptops, Mobiltelefone, Sandwichläden und Milchkaffees und manchmal auch ein bisschen Urlaub aber das ist alles Scheiße ...

Ein paar Tausend Kilometer weiter, bei meinen Kumpeln in Mittelasien erscheint die hier heraufbeschworene Armut als ein Paradies. Ein Laptop besitzen, arbeiten können, kein Stromabschalten nach sechs, keine kaputten Provider mit hohen Kosten, keine Angst vor steuerlicher Willkür privat arbeitender Steuerinspektoren, keine Angst vor Staatsgängelung und Straßenterror. Das muß das Paradies sein. Handyanrufe in Mittelasien dauern 5 sek., denn die sind kostenlos. Jede Minute Anruf kostet 6- 15 cent bei Anrufer und Angerufenem. Jede Zeitung kostet soviel wie ein hiesiges Schwarzbrot und ein Internetcafebesuch ein Mittagessen. Sie haben 20 EURO für den Monat zur Verfügung und dazu einen Vater oder Mutter, den sie unterstützen, Kinder zu Hause, die was haben wollen und sie sind alle paar Monate wieder arbeitslos, der Willkür ihrer Arbeitgeber wegen. So sieht es jenseits vom westlichen Armutsbauchnabel aus.

Ich gehöre laut Zeitungsartikel auch zu den urbanen Pennern, habe 1200 EURO, 3 Kinder, eine Promotion und jede Menge Zeit und ich finde es geil! Jenseits des Lebenstiles und der Arbeitszwänge der Verkäuferinnen und Handwerker, der Straßenbahnfahrer und Staatsangestellten beginnt mein Paradies. In unsere Ärsche führt eine Autobahn, die man über die Jahre eingebaut hat, auf denen auf sechs Spuren ständig Konsumgüter LKWs, Informationstieflader und Spaßwaggons eingefahren werden. Den einen bereitet sie Übelkeit, mir bereitet sie Freude. Ich bin lebenshungrig und nichtübersättigt. Ich bin weitgehend unabhängig von gesellschaftlichen Anerkennungszwängen in materieller oder seelischer Art. Dazu habe ich Familie. Ich bin frei von Aufstiegszwängen und großbürgerlichen Attitüden. Hört auf rumzukotzen! Fühlt Euch glücklich! Den Schlüssel dazu, den hat jeder für sich selbst. Und schaut mal 1 Meter neben euren Nabel! Da sieht die Wirklichkeit ganz anders aus.

Donnerstag, 16. Februar 2006

Die Trickster

In den Universitäten, so sagt Weber in “Wissenschaft als Beruf”, tummelt sich das Mittelmaß, denn Lehrer sind mittelmäßig und würden schlauere Schüler schwer akzeptieren. Ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt, Herr Bildungsbürger, aber wer wird schon dem Herrn Weber ein Haar krümmen wollen? Nun schaffen es aber immer wieder Leute die Gesellschaft und ihre vertikale Mobilitätschancen als Spiel zu begreifen und die Spielregeln beachtend es für ihre Zwecke auszunutzen.
Cut!
In der Literaturwissenschaft, der Philosophie und der Ethnologie, um nur ein paar zu nennen, ist der Begriff Trickster seit etwa 150 eingeführt und diskutiert worden. Um es in einem Satz auf den Punkt zu bringen ist ein “Trickster” eine Person, der die kulturell gesteckten Grenzen mutwillig überschreitet, um jenseits dieser Grenzen ein Wirken zu entfalten, dass nicht selten auch sehr folgenreich für spätere Generationen ist. Sie unterwandern die Wirklichkeit und schaffen ihre eigenen Welten darin. Der Leipziger “Oberarzt” und “Psychopat” Gerd Postel ist einer aus jüngeren Vergangenheit. Es gibt ihrer aber unzählige in der Geschichte, auch Jesus ist in der Tricksterdebatte als ein solcher behandelt worden.
Cut!
Nun hat ein wundervolles Buch das Licht der Welt erblickt, Alexander Knorrs Metatrickster, dass man sich auch im Netz runterladen kann. Es behandelt Burton, Taxil, Gurdieev, Backhouse, Crowley, Castaneda und viele, viele andere und versucht ihre Tricks und ihr Schaffen in einen ungeheuren Spannungsbogen zwischen Wirklichkeit und sich ständig erneuernder Flunkerei zu stellen. Ich habe es mir reingezogen und kann es nur wärmstens weiterempfehlen. Tolles Werk!
Gerade auch eine Meta-Handlungsanleitung für die Leute aus der Unterwelt, die die allgegenwärtige Daseinsform der Mittelerde überspringen wollen, um sie sich mal von Oben anzuschauen.

Sie kommen!

Eigentlich hatte ich vorgehabt, gegen die ganzen, unheimlich nervenden Kulturkämpfer anzuschreiben, die sich in den Medien tumnmeln aber da ich sehe, dass meine Meinung schon zahlreich in sympathischen Blocks vertreten ist, widme ich mich besser meinem Lieblingsthema, dem Untergrund. Neulich sprach ein befreundeter Ethnologe mit mir über die Chance einer fantastischen Feldforschung, direkt vor der Haustür. Die Gelegenheit bietet sich weltweit nur alle vier Jahre, im heimischen deutschen Feld muss man da viel länger warten: eine Völkerwanderung, der ganz besonderen Sorte. Es bewegen sich bald Massen von sportbegeisterten Europäern auf Deutschland zu, die sicherlich homogener sind als die vielen, die gerade Beispielsweise in Turin sich tummeln. Sie alle sind Fußballfans. Um von dieser Masse Mann zu profitieren bewegen sich ebenso viele aus dem Untergrund auf die zukünftigen Fußballzentren zu, die crème de la crème des Untergundes sozusagen: Prostituierte, Huren, Nutten wie auch immer sie sich nennen. Sie werden für ein paar Monate die Fußballzentren bevölkern und nach Kunden Ausschau halten. Und sicher werden sie zahlreich finden. Man könnte hier die verschiedensten Fragestellungen ansetzen: Die internationalle Meisterschaft der Prostituierten, der Prostituierten internationale Meister, die internationalen Männer und die Meisterin und und und.

Das der Untergrund geladen wird, wenn wichtige Meetings der internationalen Gemeinschaft anstehen, das gibt es seit Jahrhunderten. Witzigerweise waren gerade päpstliche Konzile im Mittelalter der Bestseller für das horizontzale Gewerbe. Eine statistische Rechnung des Mediävisten Friedrich Schubert zeigte einmal sehr schön, dass auf einem bestimmten Konzil zwei Huren auf einen Priester fielen. Das heißt zwar nicht, dass die rumgerödelt haben, was das Zeug hielt, sondern dass diese wohl Feinschmecker waren, was den Sex anbelangte.

Dass die Kollegen der Huren, Verwandte ihrer Beschützer gewissermaßen, mit Einzug halten, dass wissen seit Jahren auch der Untersuchungsstab der deutschen Polizei, der alle Sicherheitsmaßnahmen kontrolliert. Das der Huren Kollegen das wissen bleibt außer Frage. Wird also die Aufgabe der Polizisten sein, diejenigen Spinner, die im ernsthaften Gewerbe des Untergrundes nichts verloren haben, zu entlarven: Hoologans, Skinheads und andere Schlägerling. Ihnen fehlt eben ein gewisses Maß an Professionalität, sie betreiben den Untergrund als Hobby, laienhaft.

Also raus ihr Ethnologen! Macht Feldforschungen! Selten wird der Untergrund so international präsent sein wie in diesem Sommer in Deutschland in seinem ganzen Spektrum: in Gestalt hübscher Frauen, verschmitzter Gesichter, sowie häßlicher Menschen, die ihre Machenschaften andere machen lassen und die Unschuld ihrer Opfer in ihr Höllenschicksal verwandeln: Menschenhändler, Bettlerbandenmeister usw. Aber die gehören gewissermaßen zu den Schmarotzern und nicht zu den Professionellen. Sie sind gewissermaßen Exzesse des Untergrunds -- wie die Kulturkämpfer, möchte ich da fast schließen.

Und wenn einer forscht, dann sagt doch bescheid, und wenn ich alle Eure Feldtagebücher lesen kann, dann komme ich mal wieder vom Sofa in den Untergrund...

Dienstag, 14. Februar 2006

Reinheit in der Unterwelt

Vor einigen Tagen fuhr ich mit der Berliner U-Bahn. Ich saß neben einem Araber und seiner Deutschen Freundin. Die Bahn war aus Stadtmitte in Richtung Nordosten unterwegs und passiert hier auch den Bahnhof Spittelmarkt. Aufgrund von Bauarbeiten kann man da aber gerade in dieser Richtung nicht aussteigen. Als wir nun also durch den kleinen Bahnhof rauschten, sagte der Araber erstaunt zu seiner Freundin: „Ey, der Zuch hält ja jar nisch im Spittelmarkt!“ Als wir darauf im nächsten Bahnhof hielten, sah er vor seinem Fenster ein Plakat, dass auf das Dilemma der Bauarbeiten im Spittelmarkt aufmerksam machte. Als letzter Satz stand geschrieben:
Der Zug fährt ohne
Halt durch!


„Wat is denn dit für ein Doitsch?“ fragte der Araber. „’Der Zug fährt ohne (!)Halt durch!’„Ohne wat fährt der nu? und wieso müssen wia da durchhalten? Wat müssen wir nu denn da durchhalten? Also ick globe, wenn ick dis meinen arabischen Freunden zeige, die werden mit der Schulta zucken und sagen: ’Ach lass ma doch in Ruhe’! Ick globe bei da BVG arbeiten nur Auslända, die können doch jar ken Doitsch!“

Er machte sich noch mehrere Stationen über den Satz lustig. Ich konnte irgendwann auch nicht mehr wiederstehen und lachte, was das Zeug hielt mit. Nun ja, hier könnte eine soziolinguistische Studie über Sprach- und Textverstehen angesetzt werden, dachte ich mir, welche Mustererkennung läuft zuerst ab.... Dann bissen sich meine Gedanken auf die Großhirnrinde, verprügelten den intellektualistischen Spinner in mir und verbeugten sich vor dem witzigen Araber. Sprachwitz ist immer noch die beste Art der Sprachkritik.

Freitag, 23. Dezember 2005

... beim Ofen heizen

Ich: "Manchmal gibts Tage, da wird man vom Bären gefressen!"
Sie: "Und manchmal gibts Tage, da frißt einen der Bär!"

und das Feuer im Ofen brannte immer noch nicht...

Kaukasus Blogs

Wow, die Welt des bloggen ist ja dynamisch. Da sind nicht nur die iranischen Blogs auf die Stralau hinwies, nicht nur der große Blog über Uzbekistan, sondern auch eine Nichtregierungsorganisation, die Euch Blogger als Aufbauhilfe sucht. Hier kann man nachlesen, was da passieren soll. Nur um die Blogger der Welt ein bissel anzufüttern: gesucht werden Mentoren, die Frauen im Kaukasus beim Bloggen und bei der Thematischen Ausarbeitung helfen. Einmal die Woche, vom Sofa aus, sozusagen.
Netter Versuch, die Bloggerszene ein bisschen bunter zu gestalten...

Alle schauen zum Himmel!

Da regt sich doch morgen was. Der eine erwartet Schnee zu sehen. Der andere schaut nach dem Rentierschlitten. Der nächste erwartet eine Erscheinung vom Christkind. Alle erwarten irgendetwas von da oben.
Nur ich schaue immer wieder in die Unterwelt.. hätte ich hier beinahe gefrötzelt aber nein, darum soll es jetzt nicht gehen.

Neulich, nach einem klitzekleinen Arbeitstreffen mit sehr gut befreundeten Kollegen: die eine Ungarin, die andere Türkin. Da wünscht man doch ein Gutes Neues Jahr und läßt der Muslima zu Liebe die Christgeburt unter den Tisch fallen. Blöder Quatsch. Jesus ist bei denen auch ein Prophet, dachte ich mir später, seine Geburt auch ein Ereignis, nur eben kein Fest. Ich bekam von beiden ein schönes Fest gewünscht und konnte mir aussuchen, was sie meinen: Weihnachten, den kürzesten Tag des Jahres bereits überstanden zu haben, den Jahreswechsel, die heiligen drei Könige, kommendes Opferfest (Qurbon Hayit) der Muslime (oh Gott hoffentlich sehen wir uns früher).

Oder eine mail an einen anerkannten Zigeunerforscher, er selbst jüdischer Abstammung. Auch hier lieber gar nichts gewünscht, aus Verlegenheit. er schrieb ein vollmundiges Wunschprogramm zurück. Scheisse, dachte ich mir, also noch einmal heute mail schreiben, irgendeinen Vorwand finden und darauf einen ganzen Schwanz von Glückwünschen hängen.

Als ich mit meiner Frau den Tag besprach --(wir machen es immer wie in einer „freien Schule“ - na liebe Kinder, was wollt ihr heute denn lernen? - wie man Lehrerinnen einkocht!!) --fragte ich tatsächlich die Frage, ob ich denn eine Glückwunschrundmail schicken solle... peinlich peinlich

Mann, wann ist diese unsichere Zeit endlich vorbei? Wann kann ich endlich wieder über anderes nachdenken, zum Beispiel über die Unterwelt ... ?

Donnerstag, 15. Dezember 2005

Tagtraum

Es war ein herrliches Land, die meisten Monate war es warm, manchmal heiß aber da Bernd in den Gefängnismauern zu tun hatte, die immer eine nette Kühle abgaben, war es sogar in der Hitze erträglich. Die Sprache war auch gar nicht so schwer, man war ja schließlich quasi Sprachverwand: "Terapia-e dasti shabva in germanecba shudmi?" Hieß soviel wie: "Hat der deutsche Gefangene schon seine manuelle Therapie gehabt?" Darauf kam dann immer die Antwort, "In shabva se shor mahal" "Heute Nacht waren es drei vier mal!" Früher hatte Bernd diese manuellen Therapien selbst anlegen dürfen. Das waren andere Zeiten. Er war beschäftigt damals im Stasigefängnis in Hohenschönhausen und wohnte gleich nebenan. Damals gab es da mehrere Methoden und Behandlungsräume. Aber das zählte seit der Vereinigung als Folter und durfte nicht mehr angewandt werden. Deshalb wurde diese Ermittlungsmethode out-ge-sourced wie man so schön neudeutsch sagt und Bernd hatte nur noch die Früchte der Entwicklungsarbeit zwischen den Partnern zu ernten. Das war ein Deal, auch wenn es ihn nicht glücklich machte, weil Bernd manchmal das Gefühl hatte, dass die Tadschikejn es nicht richtig machen, also schon richtig aber eben nicht so gründlich wie er vorgegangen war, früher. Auch passten sie nicht so genau auf beim Zuschlagen. Man konnte doch immer wieder Spuren ihrer Gewalt erkennen. Naja, aber die neuen Regel zwangen einen eben auch zu Kompromissen. Aber als er das von seinen amerikanischen Kollegen gehört hatte, dass sie wieder sich auf sich selbst verlassen würden, das beeindruckte ihn. Die Jungs, obwohl er mit seiner antifaschistischen Ausbildung eigentlich nicht so besonders gut auf die Amis zu sprechen war, die Jungs würden das einzig Richtige machen. Willst du was wissen, reicht es nicht von Ferne zu lauschen. Willst du was wissen, mußt du beim Stromstoss schon dein Ohr in der Nähe des Terroristen haben! Naja, egal man konnte nicht alles haben. Wenigstens war er in einem schönen Land. Die Berge waren im Sommer schneebedeckt, die Almen der Berge kannten tausend Farbspiele.

Es wurde Mittag der Tee und eine Netzmelone wurden zur Erfrischung gebracht. Er wollte danach gleich anfangen, die Folgen der manuellen Therapie auszunutzen und in den Ermittlungen fortzufahren. Er war ja schließlich nicht zum Schwärmen hier. Aber die Arbeit machte eben Spass, dass fühlte Bernd sehr genau. Er stoß die Tür auf und zwei dieser ängslichen Terroristenaugen starrten ihn an. Der mußte doch wissen, das er von Bernd nichts körperlich zu befürchten hatte! Naja, die lernens eben nie...

Autsch! Bernd zuckte zusammen. Er hatte sich gerade seine Finger an einer Zigarette verbrannt, die er sich angezündet hatte, bevor der Tagtraum ihn übermannte. Er saß in seiner Zweizimmer Wohnung in Berlin Hohenschönhausen und starrte aus dem Fenster auf seine ehemalige Arbeitsstelle, das Stasigefängnis. Er beneidete seine Exkollegen vom BND, die konnten noch richtig arbeiten. Er selbst hatte durch die Geburt am falschen Ort keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt der Folterer.

Mann! Das war 'nen Traum, er in Tadschikistan und endlich wieder arbeiten! Bernd war seit mehr als zehn Jahren qausi arbeitslos. Er war bei mehreren Wachschutzfirmen gewesen aber das war alles nichts, seit Harz IV bekam er fast genauso viel wie bei Zeitarbeitsfirmen. Bernd machte sich eine Kaffee und schaute aus dem Fenster. Vor ihm das Stasigefängis Hohenschönhausen. Das waren Zeiten damals...

Mittwoch, 14. Dezember 2005

Harut und Marut

Harut und Marut, so erzählen viele muslimische Dichter, waren zwei Engel, die sich vor Gott wunderten, warum die Menschen sich denn auf der Welt so versündigten. Darauf antwortete Gott: „Ich Habe Den Menschen Zehn Begierden Gegeben, Wenn Ihr Diese Begierden In Euch Spüren Würdet, Ihr Würdet Genauso Handeln!“
-“Nee“, erfrechten die Engel sich da zu sagen. „Wenn wia in det Erdenraisch kommen würden, wir koennten den Typen da unten lehren, wat jutet Benehmen bedeutet!“ Da sagte Gott: „ACHSO?“ und sandte sie auf die Erde, ihren sich selbst auferlegten Dienst zu erfüllen. Er gab ihnen zum Abschied den 100. Namen Gottes mit. Wenn sie den ausrufen würden, würde sich für sie der Himmel öffnen und sie könnten zurückkehren.

Also machten die Engel ihre Flügel noch son bissel schick und stiegen die Gangway runter auf die Erde. Sie kamen irgendwo bei Babel an und freuten und wunderten sich über die Menschen. Es dauerte nicht lang und die Jungs bekamen eine Frau zu Gesicht. Die hieß wohl Zuhra. Sie fanden diese ganz sympathisch und vergnügten sich mit ihr. Sie gab ihnen Wein zu trinken und sie hauten mächtig auf die Kacke. Bis Zuhra ihnen von ihrem Ollen erzählte, der sie wohl ständig nerven würde. Nix für ungut, dachten sich da die Engel, der Typ muß weg. Und schnipps hatten sie den ersten Mord auf dem Kerbholz. Als sie dann noch weiter soffen und den Macker machten, da verrieten sie dem Zuhralein den Namen Gottes, der einen zu Himmel fahren lassen kann. Sie hatte gerade nichts besseres zu tun, rief den Namen laut aus und fuhr gen Himmel, in dem sie sich in einen Abendstern verwandelte. Gott aber war fürchterlich sauer und sagte den Engel: „Also Jungs Paßt Auf! Ihr Könnt Wählen Zwischen Der Strafe In Meinem Reich, Die Ewig Währt Und Der Strafe Im Erdenreich, Die Irdisch Währt!“
Hmm, grübelten da die Engel und entschieden sich für eine Erdenstrafe. So wurden sie in einen Brunnen gehangen, ein paar Zentimeter über dem Wasserspiegel. Hier dürsteten und quälten sie sich. Aber nix für ungut, dachten sich da die Teufelskerle, und sie lehrten diejenigen, die dem Brunnen näher kamen, die Zauberei, die in ihr himmlisches Curriculum gehörte. Und so kam die Zauberei in die Welt und Harut und Marut von ihrem himmlischen Sesselfurzerjob in ihre kleine private Unterwelt.

Die Moral von der Geschicht: die gibt es nicht?

Montag, 12. Dezember 2005

Vom Sofa in die Unterwelt

Sofa, du bist bequem, sofa auf dir ruhe ich aus
sofa, du strengst mich an, sofa so far?

Unterwelt, wo bin ich? Unterwelt, gar nichts los?
Aufgegangen in einem Tatort, weile ich synchron?
Verworren die Läufe, verworren der Puls, verworren die Heizrohre,
verfangen im Bild, der Häßliche statisch,

wo sind die Schmetterlinge her?

Assymterisch begegnet sich die Welt,
weil synchron läuft nur der, der sich vorstellt:
Assymetrie sei ``nicht verwirklichte Emanzipation''.

Vorstellung gehabt,
vorgestellt nur den Rest der Welt.
Weile ich synchron
in der Unterwelt?

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Olim ist ein arabischer Vorname, der sich aus der Silbe ilm ableitet und soviel heißt wie der Wissende oder Wissenschaftler. Ich habe den Namen 1994 in Buchara verliehen bekommen und ein Jahr später angefangen, Mittelasienwissenschaften zu studieren. Das tue ich heute immer noch im fortgesetzten Stadium. Devona ist ein Wort das man fuer verrückt, entrückt, weggetreten benutzen kann. Es hat immer irgendwie mit Liebe zu tun, zu den Menschen, zum Leben, zu Gott. Naja und das zusammen macht die Figur Olim devona aus. Manchmal schlüfe ich in sie hinein und fuehle mich dann total devona.

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